Cuvilliés-Theater: Habjan inszeniert Marivaux’ „Der Streit”

Anfangs wollte ich gar nichts schreiben, übers Küvi…, Cuvée…, Chevalier…, verdammter Kullerpfirsich-Theater. Ich meine, hallo, die trauen sich doch nicht mal selbst ihren Namen auf die Eintrittskarten zu drucken, sondern verwenden frech den ihrer großen Schwester Resi. Wie kann man denn dann von einer unbedarften Besucherin erwarten, dass sie ein grausliges Wort wie Cuvilliés Theater in ihrer Kritik aus dem Stand richtig schreibt? Nach dazu, wo die arme arme Frau zum Zeitpunkt des Theaterbesuchs immer noch kein Internet daheim hat und mit Wikipedia nur mühsehlig auf dem Handy tippelnd kommunzieren kann? Und nein, man erzähle ihr nicht, dass sie doch einfach von der Rokoko Theaterperle Münchens hätte schreiben können. Wer sowas sagt, macht es sich einfach und ist wahrscheinlich Stuckateur oder Mitblattgoldbeleger und… Und es ist überhaupt alles ganz schlimm und schrecklich. Wo war ich?

Angefangen hat alles damit, dass der allerguteste Herr E. aus M. zwei Karten für die letzte Vorstellung der Habjan-Inszenierung des Marivauxschen Stückes „Der Streit“ in eben diesem Cuvilliés Theater (ich kann copy/paste, hah!) besorgt hatte. Woraufhin wir in diesem Rokoko-Schmuckkästchen inmitten von viel kunstvoll dekoriertem Abopublikum eine ganz allerliebste Inszenierung über den Ausgang einer Wette zwischen Hermiane und dem Prinzen – zwei ganz großartige Puppen mit Funkelperlenaugen, die Hartmut Engler seinerzeit zum Weinen gebracht hätten, geführt und gespielt von Habjan (Hermiane) und Nägele (Prinz) – zu sehen bekamen.

Die beiden wollen ein für allemal klären, wer denn nun Verführung und Untreue, kurz “das Böse”, in diese Welt gebracht habe. Frau oder Mann? Wie’s Zufall und Autor wollen, sind gerade vier junge Menschen zur Hand (zwei weiblich, zwei männlich), die abgeschieden von der Welt und nur unter der Aufsicht ihres Erzieherpaares getrennt voneinander aufgewachsen waren. Nun sind sie “achtzehn oder neunzehn Jahre” alt und das Experiment kann beginnen. Ganz wundervoll Oliver Nägele, nicht mehr der jüngste und eher ein Schwergewicht, der die Puppe Eglé führt, spricht, spielt, eine Narzissa allererster Güte (keine Ahnung, ob das die korrekte weibliche Entsprechung des Narziß ist, klingt aber gut). Heutzutage nennte man sowas “A Total Bitch”. Die trifft nacheinander auf den herzensguten und harmlosen Azor (Arthur Klemt), die wenigstens ebenso bitchige, aber souveränere Adine (Mathilde Bundschuh) und zum Schluß auf den schönen aber eher hohlköpfigen Mesrin (Nikolaus Habjan), um den die beiden von so recht von Herzen streiten. Mit Kratzen, Beißen, Haare ziehen. Ausgehen tuts wie seinerzeit im Wald zu Athen: Rudelbums. Jede/r mit jeder, jede/r mit jedem und alle mit allen. Wie er halt so ist, der Mensch. (s. hierzu auch Shakespeare, William: Ein Sommernachtstraum)

Es ist immer ein besonderes Geschenk, wenn Puppenbauer Habjan selber mitspielt und in dieser Inszenierung zeigt er ihre “Puppigkeit” ganz besonders. Er läßt die Akteur*innen als nackte kahle Geschöpfe auf die Bühne bringen, kleidet sie und gibt ihnen schöne Haare und wenn sie ihre Schuldigkeit getan haben, werden ihnen Kostüm und Schmuck wieder genommen und sie selbst dekonstruiert und in ihre Puppenglieder zerlegt.

Sehr schön das alles. Anschließend laue Sommernacht im Hinterhof. Es dunkelt lange und erst spät verschwindet das Licht und ich bin wieder einmal froh, dass München so weit weg vom Äquator liegt.

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