Vor langer, langer Zeit, als es mir einmal gar nicht gutging, hatte ich mir zur Selbsttherapie die Aufgabe gestellt, keine Nacht einzuschlafen, bevor ich nicht darüber nachgedacht hatte, was ich am vorangegangenen Tag zum ersten Mal in meinem Leben gemacht hatte. Es galt alles. Zum ersten Mal gesehen, geschmeckt, gelesen, gehört, getroffen… wirklich alles. Und da schau her: es gab jeden Tag irgendetwas Erstmaliges. Mal ganz was kleines und unspektakuläres, mal was richtig großes. Aber immer etwas. Inzwischen mache ich das schon lange, lange nicht mehr. Ich weiß ja, dass mein Leben nie aufhört, neu zu sein. (Ich bin sicher, dass es ganze Regalmeter voller Selbsthilfebücher gibt, die genau diese Methode empfehlen. Ich habs mir aber selber für mich ausgedacht und es hat geholfen.)
Nach dieser schwer philosophischen Vorrede komme ich nun zum eigentlichen Thema dieses blogposts: El Anatsuis Austellung “Trimphant Scale”. Wow! Wow! Und wo ich gerade dabei bin: Wow!
Sowas habe ich noch nie gesehen. Schon die Fassade des Hauses der Kunst ist im Stil seiner Arbeiten verpackt… wobei ich noch nicht einmal weiß, ob “verpackt” der richtige Begriff ist. “Verhüllt” gehört Christo und Jeanne-Claude und träfe es auch nicht. Vielleicht so: Die ganze Fassade ist eine monumentale Kunstinstallation. Groß-ar-tig! Drinnen hängen riesige Wandbehänge, die sich erst auf den zweiten oder dritten Blick als (schon wieder, aber es paßt halt am besten) monumentale nicht-textile Arbeiten entpuppen, sondern aus unendlichen Mengen von Blechdosendeckeln, plattgehämmerten Flaschenverschlüssen und anderen “Recycables” zusammengenäht, zusammengetackert, verdrahtet sind. Man muß das sehen. Und durch das riesige Fischernetzlabyrinth durchgehen. Diese riesigen Arbeiten wirken so fluide und leicht, ich bin aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen.
Ein Raum ist nur Skizzen gewidment. Im kleinsten Format, die aber das Große schon ahnen lassen. Wenn man dann glaubt, man habe die Bandbreite seines Schaffens gesehen, dann werkt er mit Holz. Statuen. Bilder. Schnitzereien. Brandkunst. Wieder anders. Wieder sehr groß.
Ich kann allen nur ans Herz legen, hinzugehen, sich Zeit zu lassen, vielleicht zwischendrin auf der Terasse einen Kaffee zu trinken und die Augen sich im weiten Grün des Englischen Gartens erholen zu lassen. Beim zweiten Durchgang sieht man schon anders und kann mehr Detail erfassen. Ich bin gespannt, wie es mir beim dritten Mal ergehen wird. Denn ich gehe bestimmt noch einmal hin.