Miss-Wahlen. In Schwabing. Und weil ja heutzutage überall an allem gespart wird, finden am Freitagabend gleich mehrere, ach was, alle, statt. Gekürt werden die Miss Verständnis, die Miss Geburt, die Miss Erfolg, die Miss Muschel (vom Fischereiverband), die Miss Trauen, die Miss Lungen und alle Titel gehen gleichermaßen an Constanze Lindner und nein, das ist keine Sparmaßnahme. Selbstverständlich nicht. Also bitte. Man möchte keine der Missen missen müssen.*
Constanze ist eine omnipräsente Naturgewalt. Wer hätte je eine Künstlerin erlebt, die schon den in der Kassenschlange Anstehenden ein morgenmoderatorfröhliches “Hallo und Willkommen” zuruft und sich vor Beginn der Vorstellung durch die dicht gefüllten Reihen schiebt, und so gut wie jede/n mit einer herzhaften Umarmung und vielen Küssen in ihr Programm aufnimmt? Hmmm? Diese Künstlerin liebt ihr Publikum nieder. Handke hat ja keine Ahnung!
Ohne Atempause und nur mit allerschnellsten Requisitenwechseln (Kopfpütze) bevölkert sie die Bühne mit einem Universum schräger Frauen. Ein altes bösartiges Weib, von der ich vermute, dass Helmut Schleich die Fee an der Wiege war, desweiteren die grünbemützte Cordula “Dieses Gebiss” Brötke, die angeblich an Helga Feddersen angelegt sein soll, aber vor allem bei ihrem erste Auftritt eine Homage an Regisseurin Gabi Rothmüller ist und eine Fitneßtrainerin, die im Sinne des “Aerobischen Eids” agiert, agitiert und mir allerhöchste Bewunderung abnötigt. Nach deren sehr intensivem Auftritt mit vollem Körpereinsatz transiprieren Frau Lindner zwar leicht, haben aber offensichtlich überhaupt keine Atemprobleme. Hut ab! Bei dem Kalorienverbrauch hat sogar manche/r im Publikum ein paar Gramm abgenommen und schnauft etwas schwer… Aber wer wird sich in Negligéedenken ergehen?
Dann ist Pause und ich fühle mich, als hätte man mir mehrjährig mindestens zwei Überdosen Ritalin pro Tag zugeführt und leide an starker Reizüberflutung – und das nur vom Zuschauen. Constanze ficht das nicht an. Die brettert weiter mit ihrem Kreuzfahrtschiff nach Zalando mit einer Schleife über den Gesamt-BMI am Strand von Rimini, kennt Augenaufschläge, die ganze Landfrauenverbände in Paarungsbereitschaft versetzen, und spricht selbst bei einer breiten Auswahl an Bestattungsoptionen nicht schlecht von Toten. (Nilrisibisi und so…) In einem atemberaubenden Tempo verknotet sie am Ende der Vorstellung alle losen Fäden, bricht in einen finalen Countryjodler aus und hat nebenher einen Herrn aus dem Publikum als Tourbegleiter angeheuert. Meine Fresse! Halt, richtig, da war was: ich wollte ja auch einmal wieder Luft holen.
Constanze kann alles. Singen, Tanzen, Fee, mit Kopfsprung und doppeltem Salto von einer Rolle in die andere springen und hat wahnsinnig viel sehr Lustiges zu sagen. Tut es auch. Reschbeckt! Darauf einen Mohr im Schafspelz!
Die Samstagsvorstellung ist schon ausverkauft, aber man merke sich den 17. September im Lustspielhaus vor. Da kommt sie wieder und sollte gesehen werden. Unbedingt!
Nachtrag: So sehr es mich freut, dass die Menschen so dermaßen in die Vorstellung gedrängt haben: die ausverkaufte Lach- und Schieß hat doch sehr viel von einer Legebatterie. Von einer Legebatterie, in der man sich nichts mehr wünscht als stark anorexische Mithühner.
* Wenn mir doch eine Miss durchgerutscht sein sollte, bitte ich um Verzeihung. Bei so vielen Missen missed man möglicherweise auch mal eine.