Gelesen: 1. “Eddie muß weg” von Katinka Buddenkotte und 2. “Wunder” von Raquel J. Palacio

Der große Vorteil am Aufenthalt in einem Haushalt, wo die Bettzeit pünktlich nach dem Ende des ersten Fernsehabendfilmes beginnt, ist, dass man nachts lang zum Lesen kommt.

Die erste Nacht verbrachte ich mit Katinka Buddenkottes “Eddie muß weg”, in der zweiten hab ich den Eddie ausgelesen und gleich noch Raquel J. Palacios “Wunder” hinterher. Beide, dies vorausgeschickt, sind uneingeschränkt empfehlenswert. War irgendwie witzig, denn beide Autorinnen lassen ihre Geschichte von mehreren Erzählern aus der Ich-Perspektive erzählen und schaffen so unterschiedliche (und – Bonus – unterscheidbare!) Klangfarben.

Nun aber getrennt voneinander weiter. “Wonder” richtet sich an heranwachsende Leser/innen und wurde mir von Tochter und “Ich-habe-Rotz-und-Wasser-geheult”-Mutter gleichermaßen empfohlen, wobei mich der Körperflüssigkeitenausstoß erst einmal abgeschreckt hatte. Hätte er nicht müssen, ist wohl eher rezipientinnenspezifisch. Es geht um den Jungen August, der durch eine extrem seltene Kombination von Gen-Mutationen “entstellt” ist (ein Wort, das die Autorin bewußt als unpassend charakterisiert*). Nachdem ihn bisher seine Mutter zu Hause unterrichtet hat, lernen wir ihn kennen, als er in die 5. Klasse einer öffentlichen Schule eingeschult wird. Wie zu erwarten, sind die Reaktionen seiner Mitschüler durchaus gemischt und Auggie hats nicht leicht. Aber die Autorin ist Amerikanerin und kann nicht aus ihrer Haut, also geht’s per aspera ad astra und gut aus. Der Weg dahin ist lohnenswert zu lesen und strotzt von kleinen Alltagsbeobachtungen aus der noch eher kindlichen Perspektive bis hin zu gut umgesetzten Lektionen über den Umgang mit Fremdem, mit Verlust und Trauer und der kontinuierlichen Veränderung, die Leben heißt. Die Übersetzung vom Amerikanischen ins Denglische (besorgt von André Mumot) ist im großen Ganzen gelungen, auch wenn ich irgendwann nicht mehr ertragen konnte, dass irgendwer irgendwem anderen “Fünf gab”.

“Eddie” ist da schon eine ganz andere Nummer und viel schwerer zu beschreiben. Als ich, übersprudelnd wie immer, wenn ich will, dass alle anderen meine supertolle Neuentdeckung auch lesen sollen, das Buch einem Freund nahebringen wollte und dabei nicht so recht vorwärts kam, stellte er mir die Aufgabe, den Inhalt in einem Satz zu beschreiben. Isi. Meine leichteste Übung: “Ein Paar erzählt aus seinem Leben und am Ende ist es kein Paar mehr.” Aber wie Katinka Buddenkotte, eine der am unverdientesten wenig bekannten deutschen Autorinnen, das erzählt und wieso die Geschichte so aufhören darf/soll/muß, wie sie endet, das ist hohe Kunst! Ich bin begeistert! Und berührt. Und wenn ich Rotz und Wasser heulen könnte – für dieses Buch hätte ichs getan.

Lesen! Lesen! Lesen!

Und wer mir verspricht, dass er/sie es bald zurückgibt, der/die bekommt es gerne geliehen.

 

* Selbstbeschreibung: “Ich heiße übrigens August. Ich werde nicht beschreiben, wie ich aussehe. Was immer ihr euch vorstellt – es ist schlimmer.”

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *

fifteen − fifteen =