Gelesen: Andy Weir – Artemis

ArtemisIch weiß ja nicht, wie der Kritiker des Guardian zu diesem Urteil kommt: Ich fĂŒr meinen Teil habe in dem ganzen Buch nicht ein Wort ĂŒber den extraterrestrischen Anbau von Kartoffeln gefunden. DafĂŒr sehr viel darĂŒber, wie sich Andy Weir die Welt bzw. das Leben auf dem Erdtrabanten aus der Sicht einer jungen Frau vorstellt.

Die soll sein, was der Amerikaner “sassy”* nennt und was im Deutschen sehr unzulĂ€nglich mit den fast schon obsoleten Begriffen “frech, keck, naseweis, unverschĂ€mt” ĂŒbersetzt wird.

Man denke einen Nerd-Traum: die physische Konstitution einer Lara Croft mit dem Verstand einer Überfliegerin in den MINT-FĂ€chern, Hirn und Schnauze einer Hazel Brugger, mit sehr gesundem ausgeprĂ€gten Selbstbewußtsein. SelbstverstĂ€ndlich ausgesprochen gutaussehend, sich dessen bewußt und sexuell aktiv. Fertig ist die Heldin Jazz, eigentlich Jasmine, saudischen Ursprungs und als Halbwaise vom glĂ€ubigen Moslempapa in der Mondsiedlung Artemis großgezogen. NatĂŒrlich rebelliert sie gegen alles (“sassy”, wir erinnern uns), geht weder zu einer der Gilden, um eine Ausbildung zu bekommen, noch in die Moschee. Stattdessen arbeitet sie in einem schlechtbezahlten Job, betreibt jedoch nebenher einen recht erfolgreichen Schmugglerring. (Was sonst noch passiert, lese jede/r selbst.)

In diesem Setting macht Weir, was ihn schon in “The Martian” ausgezeichnet hat: er erklĂ€rt und beschreibt komplexe naturwissenschaftliche Sujets, eingebettet in eine unterhaltsame, temporeiche ErzĂ€hlung. Zudem erfindet er durchaus plausible politische und weltwirtschaftliche (als ob sich das trennen ließe) Szenarios. Das liest sich weg wie nix und macht Spaß und wird sich sicher schön verfilmen lassen. Trotzdem wurde ich manchmal das GefĂŒhl nicht los, einem Autor dabei zuzusehen, wie er eine Themen-Checkliste abarbeitet und vor lauter Themen abarbeiten gar nicht mehr dazukommt, seine Figuren zu entwickeln. Daran muß man sich aber nicht stören, dafĂŒr gibt es ja die Franzens dieser Welt.

Falls wer noch was fĂŒr den Urlaub sucht: Artemis kann man gut lesen.

 

* Das scheint die Definition zu sein, die Weir inspiriert hat: Impudent.. Bold and spirited; cheeky.. Somewhat sexy and provocative.. (s. https://bit.ly/2AS8KUy)

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