Gedanken zum Reifenwechsel

An die hiesigen Annehmlichkeiten habe ich mich nach meiner Rückkehr aus God’s Own Country ganz schnell wieder gewöhnen können und sie nach der langen Abwesenheit erst so richtig zu schätzen gelernt. Wie er eben so ist, der Mensch.

Feine Dinge, wie friends and family quasi in Rufweite und nicht mehr 10.000 km weit weg. Oder, auch sehr wichtig, gute und wohlschmeckende Lebensmittel zu unglaublich günstigen Preisen in fußläufig erreichbaren Supermärkten (wobei mir die verkaufsoffenen Sonntage durchaus manchmal fehlen). Oder, ganz toll, Öffentliche Verkehrsmittel, die mich zu fast jeder Tages- und Nachtzeit überall hin kutschieren und bei denen ein 20-Minuten-Takt als gerade noch an der Grenze des Zumutbaren gildet (Hallo, Cal-Train, aufgemerkt!). Und Trinkwasser aus dem Wasserhahn und Waschmaschinen, die Wäsche sauber waschen, statt sie widerwillig ein bißchen in lauwarmer Brühe unter Zusatz von viel zu viel Bleiche zu quirlen. Und Kultur. Und Kunscht. Und einfach mal schnell in ein Ausland zu fahren (!), wo die Menschen eine andere Sprache sprechen, aber mit derselben Währung bezahlen. Oder nach einem Knappvierstundenflug auf einem anderen Kontinent zu landen. Hach! Es gibt hier schon sehr viel Schönes!

Der einzige Wermutstropfen, ach woher, Wermutshektoliter ist dieser mistverdammte Winter. Kälte, die einem in die Knochen kriecht und dafür sorgt, dass man vor lauter Schmerzen schief gehen muß, wo doch der sommerlich sonst so aufrechte Gang eh schon gefährdet ist durch mangelnde Trittsicherheit bei Schnee, Eis, Graupelschauer (man gebe mir Zeit, und mir fallen mehr Worte für Schnee ein als dem gemeinen Isländer* und jedes davon ist eklig). Heizungsluft. Trockene Haut und Augen. Oder noch schlimmer: Vermieter geizig, Heizung kaputt, bei zweistelligen Minusgraden. Hustenschnupfenheiserkeit, bähäää! Trotz Mützeschalhandschuh. Dicke Jacken und Mäntel. Stiefel. Mit Profilsohlen gleich gar. Und das ganze Zeug stopft, bloß weil es eine Saison gibt, die sich mit Minustemperaturen spielt, für nix und wieder nix die Schränke voll. Und was man an Zeit vergeudet, nur um zwischen diesen Jahreszeiten zu pendeln, Zeug von hier nach da zu schaffen und dann noch zwei Mal im Jahr in die Werkstatt, auf dass das Auto die passenden Reifen bekomme (s. o.).

Nein. Nein. Nein. Es reicht! Genug davon. Ich habe mir das jetzt schon wieder drei viel zu lange Winter lang angesehen und leiden müssen und plädiere dafür, diesen Dreck jetzt endlich abzuschaffen und sich auf die Jahreszeiten Spätfrühling, Langsommer sowie Herbst zu beschränken. Mit sofortiger Gültigkeit. Und für die, die glauben, Winter brauchen zu müssen, verweise ich auf mein Uraltmodell: die Schneefallgrenze beginnt/endet ab Garmisch.

 

* Es handelt sich um einen weitverbreiteten Irrtum, dass Eskimos die meisten Worte für Schnee haben, es ist vielmehr die isländische Sprache, die 16 verschiedene schneebezogene Wortstämme umfaßt. Es gibt zum Beispiel einen für simplen Feld-Wald-Wiesen-Schneefall: „fannkoma“, einen anderen für schweren Schneefall mit großen Flocken bei ruhigem Wetter „hundslappadrífa“, für Pulverschnee „lausamjöll“ und schon wieder einen anderen für Schneefall bei Wind „ofanbylur“.

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *

three × three =