Als wir das Restaurant verlassen, um im Schlachthof noch einen Kaffee zu trinken, fängt es wie auf Stichwort an, heftig zu schneien. Schwere Flocken, die binnen Minuten das Viertel mit einer strahlend weißen Dämmdecke belegen. Eine seltsam verzauberte Atmosphäre entsteht, eine, in der es uns gar nicht wundert, dass aus einem der dicken Backsteingewölbe buntes Licht hervorblinkelt und Musik erklingt. Ohne uns lang abzusprechen, wechseln wir die Straßenseite und streben darauf zu. Und dann präsentiert sich in den Viehhöfen in der Ludwigvorstadt auf einmal etwas, was sich nach näherer Überprüfung nur als “Alternatives Tollwood” ( danke an Annette für den treffenden Begriff und sorry, Frau Rottenwallner) beschreiben läßt. So, wie Tollwood vor zwanzig Jahren mal war, mit Zirkuszelten und Veggie-Döner-Stand sowie Love & Würstel, Maroni und handgebissenem Schmuck aus schamanischen Kraftsteinen, Häkelgemüse, Wärmflaschen* und Öko-Schnaps, Tainted Rainbow Accessiours (nicht fragen), Steinersuchkollegen, Brazil-Groove und Glühbananen.
Außerdem Kerzen, Kupferkörbe, Teelichthalter, Schatullen, Bilderrahmen (in Südafrika aus alten Kolonialhäusern von einheimischen Kunsthandwerkern hergestellt), Schmuck, Grußkarten, Schlüsselanhänger, Taschen, Baby-Stiefelchen, Kuschelpuppen, Körbe, Schmuck für die Seele und/oder das physische Wohlergehen, Sabine´s Postkartensortiment umfaßt handgedruckte Postkarten aus dünnem Holz, Andenponchos kommen mit “Spirit”, jedoch ohne Panflöte, Taschen gibts aus natürlichen Tierhäuten oder superstreng vegan, Seifen, Seifen sowie Lotionen, Mützeschalhandschuh in Juckgrobstrick, Keramikknäufe, Räucher- und Duftwerk, auch in der langvergessenen Note Patchouli, Trommelsteine (nein, ich weiß auch nicht, was das ist), schamanischen Traumfänger aus Liane und Feder, die die Künstlerin selber im Regenwald findet. Sie benutzt u.a. mittelalterliche Techniken wie Filigran und Macramé. Wo Apostrophe sitzen sollen, diktiert nicht der Duden, sondern die Esoterik – und die ist in dieser Beziehung sehr flexibel. Dieser ganze Märchenbazaar wirkt so aus der Zeit gefallen, dass man sich nicht wundern würde, wenn er und die überraschend vielen Besucher morgen bei Tageslicht einfach nicht mehr da wäre. (Wird so sein, am 30.12. läuft die Genehmigung aus.)
Hier ein Appetithäppchenbild, wem es gefällt, findet hier http://bit.ly/2pZxxR9 mehr. Die Qualität ist leider nicht besonders, für dunkle Nacht mit Schneetreiben ist mein kalifornisches Telefon nicht eingerichtet.
* Besonderes Highlight: Es können auch warme Wärmflaschen gegen die Kälte gekauft werden. (Man fragt sich, wogegen sonst.)
Kursiv gesetzt ist, was ich wörtlich von den Ständen bzw. deren Märchenbazaarwebsite abgeschrieben habe.