Das Peter-Prinzip (Ein Fallbeispiel)

Alle Aufsichtstherapeuten sprechen mich heute beim Geräteturnen nacheinander an, sie seien “angemessengert” worden mit der Bitte, mir auszurichten, ich möge “bei den Damen vorne” vorstellig werde. Wenn ich nach ein paar Stunden Sport verschwitzt und hungrig und insgesamt sehr unleidig da vorne stehe und erleben muß, wie eine Verwaltungsmitarbeiterin des Reha-Zentrums meine Zeit verbrät bei dem Versuch, in einem auf diesen Berufsstand perfekt zugeschnittenen passiv-aggressiven Vorgehen die Schuld für eine administrative Fehlleistung zügig aus dem Verantwortungsbereich des eigenen Sauhaufens weg- der Patientin zuzuschustern, dann fällt selbst mir auf, dass ich nimmer so nett bin wie ehedem.

Ihre Versuche, mich gnädig zu stimmen (“Goi, der Computer ist halt auch nur a Mensch, vor allem am Freitagabend” und “Des kriagn mir scho hi, mir zwoa”) lassen mich kalt, sie soll halt ihren Fehler verbessern. Hurtig. Ich habe nämlich noch Wassergymnastik auf dem Plan und muß mich dafür noch umziehen. Und weniger hungrig (= unleidig) werde ich schon von der Aussicht auf noch mehr Spocht auch nicht gerade.

Wie ich im Abgehen bin, ruft mir sie mir nach, dass sie doch beinahe vergessen hätte, abzukassieren. Ich spüre, wie sich, während ich mich wieder zu ihr umdrehe, meine Augen zu Schlitzen zusammenziehen und über meinem Kopf in der Denkblase steht: “Was genau, junge Frau würden Sie denn jetzt, nachdem Sie durch Ihre Inkompetenz meine Zeit vergeudet haben, abkassieren wollen? Was? Hm?” Es wäre wegen der Rezeptgebühr, sagt sie, bereits wesentlich kleinlauter als vorhin noch. Okay, verstehe ich, das muß ich bezahlen. “Warum schicken Sie mir nicht einfach die Rechnung und ich überweise Ihnen, was ich schuldig bin.” Ja, nein, so gehe das nicht, hier bei ihnen in der Reha-Einrichtung, da kassiere man bei allen Patienten in bar. WTF?

Zzziinnnnggg!! – (richtig, so klingt es, wenn der Frau flockblog der Geduldfaden reißt). “Erstens stehe ich hier bargeldlos vor Ihnen, bin verschwitzt und müde und inzwischen schon etwas spät dran für die nächste Trainingseinheit und zweitens habt ihr mir noch letzte Woche eine Rechnung zuschicken können. Was genau ist diese Woche anders und warum?” Ich erspare uns allen die Details, es ging noch eine Weile so hin und her, wir konnten uns dann aber darauf einigen, dass sie mir die Rechnung ausdruckt und ich das Geld ganz entspannt am Wochenende überweise. Inzwischen hatte meine Wassergymnastik längst angefangen, also bat ich sie, mich für die nächste Gruppe in einer halben Stunde einzutragen. (Wie gesagt, meine Zeit. Vergeudet. Ich bin inzwischen in einem Alter, wo mir das Lebensende näher ist als der Anfang. Sowas schmerzt mich.)

Ja, macht sie gerne – dabei fiel ihr auf, dass in meinem Konto noch eine unbezahlte Rezeptgebühr-Rechnung hinterlegt sei. “Drucke Sie aus, überweise ich dann in einem Aufwasch.” Bis wir miteinander fertig waren, hatte sie noch zwei weitere Rechnungen gefunden, aber leider beim Ausdrucken das Barzahlungskästchen angekreuzt. Ob ich nicht vielleicht doch cash bezahlen könnte? Nein, kann ich nicht. An meiner Bargeldsituation hat sich in der kleinen Ewigkeit, die ich hier inzwischen schwitzend herumstehe, nichts geändert. Gar nichts. “Drucke Sie noch einmal, kreuze Sie dieses Mal halt einfach richtig an.” Und es ist mir totwurscht, dass Sie das jetzt manuell und mit Aufwand korrigieren muß. Sie hat’s falsch gemacht. Sehe Sie’s doch als Lektion, quasi nicht zur Strafe, nur zur Übung. (Man muß sich das vorstellen, wie von Palfrader in “Wir sind Kaiser” gesprochen*.)

Zum Glück war das Wasser im Bewegungsbecken heute ziemlich kühl. Außerdem ist mir wieder eingefallen, welchen guten Rat mir sintemalen meine Freundin Gerti mit auf den Weg gegeben hatte, als ich mich bitterlich bei ihr beklagte, dass die an­o­rek­tischen Tussis am Empfang des Fitness-Studios mir immer doppelt und dreifach das Gefühl geben, dick und eklig zu sein. “Vergiß nie”, sprach sie damals weise, “dass diese Lycra-Hühner für einen Hungerlohn hinter diesem Tresen stehen und aus ihnen nie mehr werden wird. Ganz im Gegensatz zu dir.”

Hach, that’s what friends are for. Auch viele viele Jahre später noch.

 

* Falls es wer nicht kennt: https://www.youtube.com/watch?v=hZH1ERoyJXc

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