das ist da, wo sich Leonhard Cohen als Kris Kristoffersen ausgibt, um zu einem Stelldichein mit Janis Joplin zu kommen, wo im 10. Stock der Autor von “Netherland” residiert (ob das wohl der unfreundliche Typ im Lift eben war?), wo der Mann mit dem flachen Elvis Costello Hütchen wahrscheinlich wirklich Elvis Costello ist, wo die tief gebeugte Dame mit dem plastiktütenüberladenen Rollator sich noch ganz schnell vor einem durch die Tür drängelt, die Musiker mit Instrumentenkästen in der Lobby gerade auf dem Weg zu oder von einem Gig sind, die Schlange für die Kellerbar an Wochenenden fast einmal um den Block reicht und bis zu fünf Schlangenorganisatoren den Arbeitsplatz sichert, wo der größte Teil der Hotelgäste „long-term residents“ sind, das 10-stöckige Treppenhaus eine einzige Galerie von Originalwerken ist, im Bad zwar die Fliesen nicht mehr so ganz firm an der Wand hängen und die Wasserhähne im Wechselrhythmus tropfen, dafür ein wundervoller offener Kamin (mit Sims für Kruscht) das Zimmer ziert, wo vor dem Fenster eine offene Galerie an allen Fensterfronten vorbeiführt, man aber dem schmiedeeisernen Geländer nicht vorbehaltlos trauen sollte.
Also das Hotel auf W 23rd Street zwischen 7. und 8. Avenue, in dem Bob Dylan Songs komponiert hat, Allan Ginsberg zu seinen Zirkeln empfing, die Gratfeful Dead wahrscheinlich mitverantwortlich für die quietschenden Sprungfedern in den Betten sind, neben vielen anderen zB Eugene O’Neil, Thomas Wolfe, Henry Miller, William S. Burroughs und Arthur C. Clarke wohnten, um zu schreiben (letzerer „2001: A Space Oddyssey“), Dylan Thomas sich vollends zu Tode gesoffen und Sid Vicious seine Freundin fast totgeschlagen hat.
Man kann aber auch einfach nur dort übernachten.
Für die Lage und dafür, dass es New York ist, stimmt das Preis-Leistungsverhältnis. Wir hatten sogar ein Kochnischelchen mit Kühlschrank, Herd, Wasserkessel, 2 Müslischüsseln und einer bunten Auswahl an Besteck, und haben unsere Zerealien morgens „zu Hause“ gefrühstückt. Der Putz mag bröckeln, der Charme nicht. Jeder läßt jeden zufrieden. Die Dauergäste stören sich nicht an den Touristen, die mit dem Papageienkäfig nehmen halt einfach den anderen Lift als der mit dem Katzenkörbchen und dem Personal sind sie alle wurscht, Hauptsache, sie benehmen sich halbwegs ordentlich. Wir waren da gerne.
Nachdem meine bisherige Standard-Herberge im Herzen von NYC ja (vermutlich) gerade abgerissen wird, brauche ich ja eine neue Unterkunft für meine Besuche … warum nicht das Chelsea, vielleicht inspiriert mich ja das künstlerische Umfeld zu neuen Höchstleistungen und ich schaffe die 1/16-Triolen im 9. und 12. Takt von Angus’ Back in Black Solo doch mal irgendwann noch in originalem Tempo …
Davon abgesehen stelle ich fest, dass jahrelanger steter Tropfen der werbetreibenden Frühstücksflocken-Industrie dich als Fels deutscher Sprachkultur nun doch höhlen konnte und Du dir das unsägliche Wort “Zerealien” zu eigen gemacht hast. Die schwache Hoffnung bleibt, dass dies nur dem schlechten Einfluss des amerikanischen Sprachengewirrs zuzuschreiben ist ;).