Genau. Zähne. Sehr gut. Und wo trägt er die? Noch einmal richtig: in Christian Stückls Inszenierung der Dreigroschenoper im Münchener Volkstheater.
Sehr schön haben sie’s gemacht; da behutsam modernisiert, wo es nicht schadet, dem Abonnementspublikum alle Lieder gegönnt (wenn auch die Ballade der Seeräuber-Jenny um eine Strophe verkürzt war, Mann, Stückl, sowas merkt frau doch als Fan) und der Geschichte ansonsten in einem tollen Tingel-Tangel-Varieté-Freak-Show-Drehbühnenbild mit nur einem ganz kleinen bißchen Einsauen ihren Lauf gelassen.
Magdalena Wiedenhofers Polly war herausragend, eine unglaublich gute Schauspielerin mit einer Stimme, vor der man noch einmal extra niederknien möchte. Ganz wurscht, ob in den herausfordernden Gesangseinlagen oder beim Gurren, Quäken, Murren, Schmollen – die hats drauf und mir viel Freude gemacht. Sehr viel. Frederic Linkemanns Peachum ist eine Kreuzung zwischen dem herzzereißenden Schmierentheaterdirektor Emanuel Striese und einem schmierigen Jahrmarkttinkturentandler (von führenden Ärzten angerührt, gut gegen Haarausfall, Zipperlein, Zahnschmerz und Potenzverlust, alles in einer Flasche und für nur eine Reichsmark), darf im eineinhalb Nummern zu kleinen schmuddligroten Samtanzug eine ganz wunderbar häßliche Behaarter-Schmerbauch-Prothese ins Publikum strecken und ist wie von Brecht geschrieben, ein ganz großer Philosoph und ein sehr guter Schauspieler, der außerdem schön singen kann. Pascal Fliggs Macheath kommt daher, wie in einer Mafiafamiglia zum Lieblingssohn herangezogen; er ist auch gut, aber bei dem sprang bei mir der Funke nicht über; ich hätte lieber gesehen, wie Justin Mühlenhardt (Münzmatthias) sich in der Rolle schlägt – als Mackie-Messer-Azubi und -Moritatensänger war er nämlich klasse. Und wo wir gerade bei den Schurken sind, Leon Pfannenmüllers Hakenfingerjakob war ein ganz ganz feiner. Soweit zum Lob. Halt! Einen, nein zwei, hab ich noch. Thomas Kylaus quietschender Pastor Kimball war zum Totlachen und Pascal Riedels (ist der vielleicht hübsch!) Bettler-im-Training und Speichellecker-in-spe Filch ein Genuß. Fast vergessen: die “Alien Combo” in gelb-roten Tressenmänteln mochte ich auch (für den Orchestergraben waren die ersten drei Stuhlreihen entfernt worden)
Nun zum Tadel: Schade, dass Lucy (Kristina Paul) keine Singstimme hat, im Duell-Duett mit Polly war sie ganz und gar verloren und die Rolle gäbe auch mehr her, als sie spielen durfte – wobei die Nummer “Sich langsam, ganz langsam mit dem Rücken zu Gaffern im viel zu kurzen weißen Kleidchen aufrichten”, die hatte sie drauf. Ganz und gar fehlbesetzt war mit Ursula Burkhart die ohnehin etwas undankbare Rolle der Mrs. Peachum; nur Desparate Housewife auf Ersatzdrogen im zu engen und kurzen, aber dafür farblich unkleidsamen Hauskasack trägt nicht über drei Stunden. Auch Xenia Tilings Spelunkenjenny kam nicht zum Fliegen, also entweder sind dem Herrn Stückl für die Damen die Ideen ausgegangen, oder er mag sie nicht.
Wurscht. Die Dreigroschenoper steht schon 2011 auf dem Spielplan und wird in unregelmäßigen Abständen aufgeführt – wer mal wieder Lust drauf oder sie noch nie gesehen hat, gehe hin und freue sich dran.
Kleines Appetithäppchen: http://bit.ly/1MWyE4e.