Eine geht noch

Neulich habe ich noch geschrieben, dass nach den herrlichen Wortschöpfungen Wollmüllsau und Vollmilchsau bestimmt nichts mehr kommen kann. (s. https://flockblog.de/?p=49111)

Hob i mi deischd.

Ein Bewerber diese Woche pries sich in glĂĽhenden Worten als eierlegende Wolfsmilchsau an. Na dann ist die Nachfolgesuche jetzt auch geritzt.

Geometrie für Anfänger

“Und so”, erklärt der Vortragende heute in einem Webinar, “schlieĂźt sich das Kreuz”.

Ich lasse diese Konstruktion unkommentiert, weil mir dazu nix einfällt.

Wiedergelesen: Becky Chambers – “The Long Way to a Small, Angry Planet”

Ich war seinerzeit ja schon sehr angetan von diesem ersten Band der vierteiligen Wayfairer-Trilogie (s. https://flockblog.de/?p=39435) und kann mich nur wiederholen: Gut geschriebene und recherchierte Wohlfühl-Sciene-Fiction, mit ordentlich Phantasie und etwas Linguistik angereichert oder, wie es das amerikanische Föjetong inzwischen zu bezeichnen beliebt: hopepunk.

Mir wurscht. Die Wayfairer-Trilogie kann man alle paar Jahre mit derselben Freude wie beim ersten Mal wiederlesen und das ist schon viel.

Winter is coming.

Adele,

lerne ich gerade vorhin im U-Bahnvierer von einem Mann, der seiner Frau die Welt erklärt, sei “nicht etwa overrated. Nur overhyped.”

Wissen wir Umsitzenden das nun also auch. Danke, du Mann.

Anatomie für Anfänger

Er fühle sich, so der Gesprächspartner am Telefon heute, von meiner Aussage sehr auf den Schips getreten. Und wiederholt mit ca. vier Ausrufezeichen in der Stimme und in Großbuchstaben: AUF DEN SCHIPS!!!!

Das tut mir leid. Ist bestimmt schmerzhaft.

Die komplette Parkharfe leer*

Da stehen wir nun, drei etwa gleichaltrige Frauen und seufzen. “Ach”, sagen wir, während die eine “Herbstmilch” vom BuchrĂĽcken abliest, “die Anna Wimschneider”, und erzählen uns, wie beeindruckt wir jungen Stadtmenschen das damals gelesen haben. “Der Butt”, liest sie weiter und wir erinnern uns, wie wir noch jung waren und der Grass Wahlkampf fĂĽr die SPD gemacht hat – “macht ja heute auch keiner mehr”. “Ein fliehendes Pferd” und wir wissen alle, das ist Walser und ich ganz besonders, weil die Heldin Sabine hieĂź und dass wir von dem alten Mann vom Bodensee heute gar nix mehr halten.

Und dann reden wir davon, wie wir manche Titel eh daheim haben und sie hier wie alte Bekannte lächelnd begrĂĽĂźen und wie wir schon welche hier deponiert haben, weil “die Augen nimmer so mitmachen, wenn die Schrift so klein ist” – auch wenn die Trennung schwer fiel. Und dann nimmt jede aus einer mitgebrachten Tasche ein paar Bände und stellt sie in die zweite Reihe und die anderen schauen ganz aufmerksam, was da gerade neu ankommt. “Oh, alle noch eingeschweiĂźt.” Ja, schimpft sie, weil nämlich ihre alte Mutter sich seinerzeit eine Mitgliedschaft hat aufschwatzen lassen und darum entsorgt sie hier “AngĂ©lique” und ihr Schicksal in mehreren Bänden. Und “Der Pate”, bei dem wir uns gemeinsam an die roten Ohren und die LektĂĽre unter der Bettdecke erinnern, weil wir fĂĽr die Corleone-Saga eigentlich noch viel zu jung waren. Und heute? Heute haben wir arthritische Hände und können so dicke Wälzer gar nicht mehr so lange halten, schon gar nicht bei schlechtem Licht. Mensch!

Eine langt richtig zu und füllt ihren Beutel. Sie, sagt sie, fahre bald in Urlaub und man könne diese geschenkten Bücher dann im Ferienort ohne schlechtes Gewissen zurück lassen und den entstandenen Freiraum mit Mitbringseln füllen. Wir anderen beiden sind hin- und hergerissen zwischen Neid und dem unbestimmten Glücksgefühl, heute nichts gefunden zu haben und vielleicht irgendwann mal wirklich Luft in den Regalen zu Hause zu schaffen.

Daran, versichern wir uns zum Abschied grinsend, glauben wir aber selbst nicht.

* Also nicht nur einer, sondern drei “Fahr-einfach-vorwärts-rein-und-stell-dein-Auto-ab”-Parkplatz frei (s. auch https://flockblog.de/?p=48409). Was soll ich machen, das sind die Regeln und ich muss anhalten, am roten BĂĽcherschrank vor dem Feuerwehrhaus… Manno.

Gelesen: Patrick Wirbeleit und Matthias Lehmann – “Ich und Tod Detektei”

Das ist mal ein ausgesprochen liebenswertes Buch. Eine Bildergeschichte mit Sprechblasen, im besten Sinne eine Graphic Novel.

In detailverliebten Bildern erzählen die Autoren eine herbstliche Dorfgeschichte (Diese Farben! Diese Perspektivwechsel! Hach hoch drei!) um einen Knaben mit wenig gleichaltrigen Freunden, dafür aber guten Beziehungen zu mehreren Dorfgenerationen sowie dem Tod. Letzterer hätte ihn mal nach einem Unfall einmal beinahe mitgenommen, dann aber doch nicht und seither ist Lukas einer der wenigen Menschen, die den Tod sehen können.

Und war für einen Tod. In einer schwarzen Kapuzenkutte, knielang, aus der unten die knochigen Waden und Füße hervorschauen und oben ein sympatisch wirkender Schädel. Keine Sense, allerdings. Weil die immer sperrig und im Weg war. Sagt Tod. Sehr herzig.

Die beiden ermitteln nun in einem verdächtigen Todesfall und es ist dabei sehr von Vorteil, dass Tod nicht an Raum und Zeit gebunden ist und mal schnell nachsehen kann, ob wer zu Hause ist oder ein Bild noch hängt, wo es immer war oder ein Schlüssel steckt, während sie gerade kombinieren. Ich wünschte mir, dass es solche Bücher schon gegeben hätte, als ich noch Leseanfängerin war. So sei es Menschen mit Kindern oder Enkeln in dieser Altersklasse sehr ans Herz gelegt.

Lesen!

Gelesen: Adam Silvera – “They Both Die At The End”

Es hätte überhaupt keinen Unterschied gemacht, ob ich “They Both Die At The End” gelesen hätte oder nicht, das Buch entsprach vollständig meinen Erwartungen.

Alles drin, was es derzeit in den USA fĂĽr ein erfolgreiches und äuĂźerst vorhersehbares Jugendbuch braucht: woke Sprache, traumatisierte junge Menschen, die durch echte Freundschaft wieder Sinn im und Freude am Leben finden, Teenagerschwangerschaft inkl. Entscheidung fĂĽrs Kind statt fĂĽr Studium und Karriere und somit fĂĽr den Rest des Lebens ein gutes und ehrliches Leben als Kellnerin (Erhalt des Niedriglohndienstleistungssektors), Schurken mit “anger issues” und SchuĂźwaffe, gleichgeschlechtliche Liebe, Odd Couple, Erweckungserlebnisse im Plural.

Die Idee ist eigentlich interessant: wer dran ist, erhält kurz nach Mitternacht einen Anruf, dass er im Lauf der nächsten 24 Stunden sterben wird und ist hinfort ein “Decker”. (To deck someone ist amerikanischer Slang fĂĽr jemanden so heftig in die Fresse schlagen, dass er zu Boden geht und bestenfalls nicht mehr aufsteht.) Um dieses “Lebe diesen Tag, als wäre es dein letzter (denn er ist es)”-Phänomen entwickelt Silvera eine ganze Industrie. Das ist originell und liest sich auch recht flott und unterhaltsam, aber ich denke, mit diesem einen Buch habe ich sein ganzes Schaffen verstanden und fĂĽr mich abgehakt.

Wer mein Exemplar fĂĽr ein, zwei Nachmittage am Strand haben will, gebe Bescheid. Und es danach weiter.