Die komplette Parkharfe leer*

Da stehen wir nun, drei etwa gleichaltrige Frauen und seufzen. “Ach”, sagen wir, während die eine “Herbstmilch” vom Buchrücken abliest, “die Anna Wimschneider”, und erzählen uns, wie beeindruckt wir jungen Stadtmenschen das damals gelesen haben. “Der Butt”, liest sie weiter und wir erinnern uns, wie wir noch jung waren und der Grass Wahlkampf für die SPD gemacht hat – “macht ja heute auch keiner mehr”. “Ein fliehendes Pferd” und wir wissen alle, das ist Walser und ich ganz besonders, weil die Heldin Sabine hieß und dass wir von dem alten Mann vom Bodensee heute gar nix mehr halten.

Und dann reden wir davon, wie wir manche Titel eh daheim haben und sie hier wie alte Bekannte lächelnd begrüßen und wie wir schon welche hier deponiert haben, weil “die Augen nimmer so mitmachen, wenn die Schrift so klein ist” – auch wenn die Trennung schwer fiel. Und dann nimmt jede aus einer mitgebrachten Tasche ein paar Bände und stellt sie in die zweite Reihe und die anderen schauen ganz aufmerksam, was da gerade neu ankommt. “Oh, alle noch eingeschweißt.” Ja, schimpft sie, weil nämlich ihre alte Mutter sich seinerzeit eine Mitgliedschaft hat aufschwatzen lassen und darum entsorgt sie hier “Angélique” und ihr Schicksal in mehreren Bänden. Und “Der Pate”, bei dem wir uns gemeinsam an die roten Ohren und die Lektüre unter der Bettdecke erinnern, weil wir für die Corleone-Saga eigentlich noch viel zu jung waren. Und heute? Heute haben wir arthritische Hände und können so dicke Wälzer gar nicht mehr so lange halten, schon gar nicht bei schlechtem Licht. Mensch!

Eine langt richtig zu und füllt ihren Beutel. Sie, sagt sie, fahre bald in Urlaub und man könne diese geschenkten Bücher dann im Ferienort ohne schlechtes Gewissen zurück lassen und den entstandenen Freiraum mit Mitbringseln füllen. Wir anderen beiden sind hin- und hergerissen zwischen Neid und dem unbestimmten Glücksgefühl, heute nichts gefunden zu haben und vielleicht irgendwann mal wirklich Luft in den Regalen zu Hause zu schaffen.

Daran, versichern wir uns zum Abschied grinsend, glauben wir aber selbst nicht.

* Also nicht nur einer, sondern drei “Fahr-einfach-vorwärts-rein-und-stell-dein-Auto-ab”-Parkplatz frei (s. auch https://flockblog.de/?p=48409). Was soll ich machen, das sind die Regeln und ich muss anhalten, am roten Bücherschrank vor dem Feuerwehrhaus… Manno.

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