Schon länger nimmer im Kino: “Freibad” von Doris Dörrie

Endloser Sommer. Kühles Nass. Ein Freibad, nur für Frauen, wo jede sein kann, wie sie ist und sein mag. Von wegen. Es guckt, urteilt, eifersüchtelt und eine jede hat ja so recht. Und unrecht. Aber, um Recht und Unrecht geht es gar nicht. Sondern “nur” um leben und leben lassen. Erst, als alle das erkennen, wird es doch noch ein schöner Sommer.

Genau wie das gleichnamige Bilderbuch (s. https://flockblog.de/?p=47266) ist der Film die beste Kur gegen diesen saukalten nassen April. (Oder ein Beitrag zum Countdown. Heute in einer Woche um die Zeit…)

Der Countdown läuft

Heute in einer Woche um diese Zeit habe ich schon lä-ängst Feierabend und die Frau Füßeschön hat mir die Zehennägel bunt lackiert.

Und am Sonntag in einer Woche um diese Zeit kann ich das Rote Meer schon sehen und wahrscheinlich auch schon riechen. Hah!

Man verheißt sonnige 30°. Nehm ich.

Die Frau, die freitags nicht kann

Freitagsabendshetz im Supermarkt. Keine Einkaufswagen. Nirgends. Ich bin schon fertig und biete meinen zum Selbstkostenpreis von einem Euro der nächsten Kundin an. Es täte ihr ja sehr leid, sagt sie, aber “der ist mit meinem Format nicht kompatibel”. Ich bin viel zu müde, um auch nur ansatzweise über diese Aussage nachzudenken und übergebe das Ding dem nächsten Wartenden.

Aber jetzt, wo ich so gemütlich daheim sitze und nix mehr muss, täts mich doch interessieren…

Aus dem Vokabelheft

Jemanden als “fett” zu bezeichnen, geht nicht mehr. Man frage Roald Dahl. Vielmehr Roald Dahls Erben. Auf Politischkorrekt heißt das “andersvoluminös”.

Oh Mann! “Fett” geht in meiner Welt sehr wohl. Mit einer Einschränkung: der Begriff muss beschreibend und nicht beleidigend/diskriminierend verwendet werden. Mich erinnern diese Diskussionen an meine Zeit in den USA, wo man Kinder zur “Farbenblindheit” erzog und bei der Beschreibung eines anderen Kindes im Kindergarten alle Attribute außer der Hautfarbe zulässig waren. Ich war damals schon fassunglos, denn beschreiben ohne zu werten war keine Option.

Wahrscheinlich zu simpel.

Aufgemerkt

Wie man feststellt, dass der Arbeitstag zu lang war? Ganz einfach. Dann, wenn einen die Frau vom DHL-Laden trotz dringenden Einschreibens in der Hand auf den nächsten Tag verströstet. Für heute nämlich hat “die Kasse schon Feierabend”.

Gelesen: Margaret Atwood – “In Other Worlds – SF and the Human Imagination”

Die von mir so hoch geschätzte Margaret Atwood hat nicht nur ein umfangreiches fiktionales Œuvre über einen Schwung Gattungen hinweg geschrieben, ist Poetin und PEN-Inernational-Vizepräsidentin, nein, sie ist auch gelernte Literaturwissenschaftlerin und hat jahrelang an Hochschulen gelehrt.

Dieses 2011 erschienene Buch ist mehr oder minder eine “Lecture”, eine ausführliche Vorlesung zur Geschichte der literarischen Gattung Sciene Fiction. Leicht lesbar (sie ist eine verführerische Geschichtenerzählerin, die Scheherazade ganz leicht das Wasser, den Wein und ein mehrgängiges Menü obendrauf reichen kann) und unverkennbar Atwoodian; witty, also ebenso geistreich wie witzig, eher über- als unterfordernd und zuweilen ganz wunderbar gemein.

Wer beim Lesen lernen will, ist mit diesem Buch sehr gut aufgehoben.

Gestern Abend in den Kammerspielen: “A scheene Leich”, von Gerhard Polt, den Well-Brüdern und Ruedi Häusermann

Man kann das gar nicht anderes sagen: ich bin halt ein Glückskind.

Weil: ich hatte an Ostern nichts vor. Gar nichts, nada, niente, nitschewo. Bloß vier Tage frei, bisserl lesen, bisserl rumsandeln. Haben sich die Götter, die für meine kulturelle Grundversorgung zuständig sind, wohl gedacht “Nix da!” und aus “keine Pläne haben” wurde “Ersatzfrau für kurzfristig überzählige Karten”. Vorgestern (immerhin mit einem Vorlauf von 24 Stunden) führte mich dieser Status zu Bach, gestern nun (Vorlauf von zwei Stunden) zu Polt.

Allem voran: es ist kein Wunder, dass diese kurzweilige Produktion, kaum dass der Vorverkauf begonnen hat, immer sofort ausverkauft ist. Trotz sehr kurzfristiger Umstellung wegen Ausfalls einer Hauptdarstellerin boten sie dort unten auf der Bühne (unter Logenplatz stehe ich ja von meiner Ersatzbank gar nicht erst auf) eine tolle Show. Quasi dem Polt beim Philophieren zuschauen (Triple-Hach!) mit großartiger Musik (die Wells, was will man sonst erwarten) sowie Chor (aber hallo!), Betroffenheit und Rahmenhandlung.

Letztere hatte es in sich. Polt gibt einen Bestattungsunternehmer, der früh die Zeichen der Wertschöpfungskette erkennt, das erste Altersheim hinzukauft und sich so ein Imperium des Todes aufbaut. Jetzt hat ihn der Sensenmann doch auch geholt, und sein Begräbnis wird vorbereitet. Mit Chorproben, Erbstreitnachfolge im privaten (Ehefrau Nr. 1, die den Aufstieg mit (ja nach Lesart gar ganz alleine) betrieben hat vs. Ehefrau Nr. 2, einem blonden Flietschgerl und Alleinerbin) wie im Unternehmensbereich, Motto “The Show must go on”). Alles sehr sehr schön geschrieben, inszeniert, gespielt. Mit Musikern, die alles drauf haben, von Mendelssohns “Abschied vom Walde” über den “alten Kameraden”, dem Abschied des Metzgers (“Alles hat ein Ende…”) bis hin zu ganz schrecklich-schlimmschön verkalauerten Comedian Harmonists (“Ein Heim, ein gutes Heim…”). Auch den Well Brüdern und dem Schauspielerchor/orchester ein tiefempfundenes Triple-Hach! Den Kontrapunkt stellt der auf Uraltgreis geschminkte Stefan Merki im Rollstuhl, der Fakten aus der Welt der unterbezahlten und -besetzten Pflege aufzählt – so, dass es das Publium sehr zu recht von Herzen graust. „Es wird immer mehr von Würde gesprochen, je weniger sie da ist.“ Dazu spielt keine Musik.

Regisseur Häusermann macht sich einen großen Jux daraus, Umbaupausen als rhythmische Balletteinlagen spielen zu lassen – und ich sollte es nicht ungesagt sein lassen: großes Kompliment an die Bühne von Christl Wein-Engel und Häusermann selbst. Schlicht, schön, witzig (ich sage nur Teppich) und den ganzen Raum nutzend – das macht Freude.

So, falls ich wen noch nicht gelobt haben sollte, dann seien diese Personen hiermit eingeschlossen – nicht zuletzt dafür, dass ich endlich mal wieder das “Kammerspielegefühl” erleben durfte, das ich mit der neuen Intendanz jetzt noch nicht so oft hatte.

Ich setze mich dann mal wieder auf meine Ersatzbank. Bin gespannt, wieviel Zeit mir heute Abend bleibt…