Man kann das gar nicht anderes sagen: ich bin halt ein Glückskind.
Weil: ich hatte an Ostern nichts vor. Gar nichts, nada, niente, nitschewo. Bloß vier Tage frei, bisserl lesen, bisserl rumsandeln. Haben sich die Götter, die für meine kulturelle Grundversorgung zuständig sind, wohl gedacht “Nix da!” und aus “keine Pläne haben” wurde “Ersatzfrau für kurzfristig überzählige Karten”. Vorgestern (immerhin mit einem Vorlauf von 24 Stunden) führte mich dieser Status zu Bach, gestern nun (Vorlauf von zwei Stunden) zu Polt.
Allem voran: es ist kein Wunder, dass diese kurzweilige Produktion, kaum dass der Vorverkauf begonnen hat, immer sofort ausverkauft ist. Trotz sehr kurzfristiger Umstellung wegen Ausfalls einer Hauptdarstellerin boten sie dort unten auf der Bühne (unter Logenplatz stehe ich ja von meiner Ersatzbank gar nicht erst auf) eine tolle Show. Quasi dem Polt beim Philophieren zuschauen (Triple-Hach!) mit großartiger Musik (die Wells, was will man sonst erwarten) sowie Chor (aber hallo!), Betroffenheit und Rahmenhandlung.
Letztere hatte es in sich. Polt gibt einen Bestattungsunternehmer, der früh die Zeichen der Wertschöpfungskette erkennt, das erste Altersheim hinzukauft und sich so ein Imperium des Todes aufbaut. Jetzt hat ihn der Sensenmann doch auch geholt, und sein Begräbnis wird vorbereitet. Mit Chorproben, Erbstreitnachfolge im privaten (Ehefrau Nr. 1, die den Aufstieg mit (ja nach Lesart gar ganz alleine) betrieben hat vs. Ehefrau Nr. 2, einem blonden Flietschgerl und Alleinerbin) wie im Unternehmensbereich, Motto “The Show must go on”). Alles sehr sehr schön geschrieben, inszeniert, gespielt. Mit Musikern, die alles drauf haben, von Mendelssohns “Abschied vom Walde” über den “alten Kameraden”, dem Abschied des Metzgers (“Alles hat ein Ende…”) bis hin zu ganz schrecklich-schlimmschön verkalauerten Comedian Harmonists (“Ein Heim, ein gutes Heim…”). Auch den Well Brüdern und dem Schauspielerchor/orchester ein tiefempfundenes Triple-Hach! Den Kontrapunkt stellt der auf Uraltgreis geschminkte Stefan Merki im Rollstuhl, der Fakten aus der Welt der unterbezahlten und -besetzten Pflege aufzählt – so, dass es das Publium sehr zu recht von Herzen graust. „Es wird immer mehr von Würde gesprochen, je weniger sie da ist.“ Dazu spielt keine Musik.
Regisseur Häusermann macht sich einen großen Jux daraus, Umbaupausen als rhythmische Balletteinlagen spielen zu lassen – und ich sollte es nicht ungesagt sein lassen: großes Kompliment an die Bühne von Christl Wein-Engel und Häusermann selbst. Schlicht, schön, witzig (ich sage nur Teppich) und den ganzen Raum nutzend – das macht Freude.
So, falls ich wen noch nicht gelobt haben sollte, dann seien diese Personen hiermit eingeschlossen – nicht zuletzt dafür, dass ich endlich mal wieder das “Kammerspielegefühl” erleben durfte, das ich mit der neuen Intendanz jetzt noch nicht so oft hatte.
Ich setze mich dann mal wieder auf meine Ersatzbank. Bin gespannt, wieviel Zeit mir heute Abend bleibt…