Roadwork ahead

Eine der größten amerikanischen Errungenschaften ist das Schlagloch. Das Angebot ist mannigfach, es gibt große und kleine, tiefe und weniger tiefe, langgezogene, schneisenförmige, Gräben, Dellen, Kluften, Trichter, Krater, Gruben – alles, was die Achse fürchtet. Werden sie aufgefüllt, sind folgende Vorschriften zu befolgen (auf Verstöße steht mindestens die Todesstrafe und dreitägiges Waterboarding unter Britney-Spears-Beschallung): a) es dürfen auf keinen Fall alle Schlaglöcher in einer Straße zur gleichen Zeit geschlossen werden; b) das zu verwendende Füllmaterial darf niemals Ähnlichkeiten mit dem ursprünglichen Straßenbelag haben; c) nach der “Reparatur” muss das Ex-Loch zwischen einem und drei Zentimetern über der Straßendecke liegen; d) binnen dreier Tage nach Abschluss der Arbeiten muss exakt diese Stelle wieder aufgebaggert oder -bohrt werden, wobei hierfür der Einsatz bis dato fachfremder Hilfskräfte zwingend vorgeschrieben ist.

Zeit: ein Werktag, kurz vor 8:00 Uhr früh.
Ort: die Straße, in der ich wohne.

Man bricht zur Arbeit auf. Vielmehr, man bräche gerne. Stünde da nicht mitten auf der Straße ein dicker fetter Bagger eng an eng mit einem PG&E Truck. Der Spalt dazwischen ist so schmal, dass ein begnadeter Fahrradartist möglicherweise ohne Kratzer durchkäme, ganz bestimmt aber weder ein normaler PKW, geschweige denn die XXL-Modelle, die man hier in der Nachbarschaft so zu fahren pflegt. Ich bin im dritten Wagen im Rückstau und höre bei heruntergekurbelter Scheibe folgenden Dialog mit:

Nachbar (N): “What’s that mean, man?”
PG&E-Repräsentant (P): “Road’s closed, man. We’re doin’ roadwork here.”
Baggerfahrer (B): (steht schweigend dabei und nestelt abwechselnd am Schirm seines Baseballcaps und an seinem Schnauzbart)
N: “You gotta be kiddin’ me, man. I gotta go to work. Move it.”
P: “We put up a sign, man. I won’t move nuthin’, man.”
B: nestelt
N: “You gotta move it. There’s no other way out. I need to run, can’t be late for work.”
P: “We put up a sign.”
B: nestelt heftiger.
N (nunmehr schon lauter): “You gotta let us out. There’s other folks waitin’, too.”
[Randnotiz: alle bis auf mich selbstverständlich mit laufenden Motoren.] P: “Why don’t you just make a turn?”
N (fassunglos angesichts dieser Sturheit): “Because that’s a fuckin’ dead end street – we’d have to break the fence to the National Guard armory to get fuckin’ outta here.”
B (stellt das Nesteln kurz ein, um mit bekräftigendem Nicken zuzustimmen): “Si. Verdad.”
P (entnimmt seiner Brusttasche einen Zettel, faltet ihn auf, streicht ihn in aller Seelenruhe glatt, studiert ihn und bemerkt dann sehr gekränkt und äußerst formell (ich hatte den Eindruck, es sei ihm gerade sein “Vom Umgang mit Kunden”-Training wieder eingefallen): “I apologize, sir. You are correct, sir. No need to be rude, sir. I am glad to move my truck for you, sir.” (Wendet sich ab und lädt die beiden Kabelrollen, die er bereits abgeladen hatte, wieder auf. Ruhig und ohne Hast. Bewegt seinen Truck um knapp 10 Meter in die nächste Parklücke, steigt aus und stellt sich an den Straßenrand, um die wartenden fünf Autos vorbeizuwinken.)
B: (nestelt wieder)
N (kann sich’s nicht verkneifen und kommentiert im Vorbeifahren): “Next time you wanna read the map first before you put up an asshole sign, man.”
B: (grinst)

Zeit: der gleiche Tag, abends
Ort: die Straße, in der ich wohne.

Das “Roadwork ahead” Schild ist verschwunden. Eine Art Asphaltplatte mit eisenharten Kanten ragt ca. 2 cm (also absolut vorschriftsgemäß) über den Straßenbelag hinaus. Die anderen Schlaglöcher sind weiterhin im Originalzustand, der harntreibende Effekt der Rüttelstrecke eher verstärkt.

PS:
Zeit: der nächste Tag, Morgen, gegen 8:00
Ort: die Straße, in der ich wohne.

Der PG&E Truck ist schon da. Vorne an Straße steht auch wieder das “Roadwork ahead”-Zeichen und wedelt mit den Fähnchen. Der Bagger ist spät dran – blockiert am Ende jemand heute bei B daheim die Straße?

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