Von der Kritik wird Johnsons Erstling extrem hochgejazzt, da habe ich mir doch selbst ein Bild vom Wunderwerk gemacht.
Nun.
Die Grundvoraussetzung ist Science Fiction Standard: Die große Umwelt/Klimakatastrophe hat stattgefunden. Der privilegierte Teil der überlebenden Menschheit lebt in mächtigen Stadtstaaten unter Kuppeln, geschützt vor der Strahlung einer bösen Sonne, mit gefilterter Luft, guter und frischer Nahrung, hohem Einkommen, hoher Lebenserwartung und, siehe den Sonnenschutz weiter oben, weißer Hautfarbe. Die anderen leben ungeschützt in den “Wastelands”, unter einem von Mad Max inspirierten Regime eines “Emperors”, sind arm, krank, elend, schwarz und einem frühen Tod durch Hunger, Seuchen und viel Gewalt geweiht.
Nicht ganz neu ist die Idee, dass es ein Multiversum und damit Parallelerden zu dieser Erde gibt. Fast wie diese, aber nicht ganz. Mit mehr und anderen Rohstoffen, zum Beispiel. Oder Agrargütern. Oder medizinischen Fortschritten. Oder. Was liegt näher, als diese Schwesteruniversen auszubeuten? Gesagt, getan. Nur leider überleben die Gesandten aus der Kuppelstadt ihre Mission nicht. Warum? Weil ihre Entsprechung, ebenfalls aus der gut genährten gebildeten Oberschicht auf der Parallelerde ebenfalls am Leben ist. Und, so die Prämisse, zwei identische Lebewesen können nicht gleichzeitig auf einer Welt existieren. (Weiß man doch selbst als Laie aus Science Fiction Filmen, wohin das führt. Mann.) Was liegt also näher, als zukünftige Traverser dort zu rekrutieren, wo die Überlebenschancen wesentlich geringer sind?
In den 382 bisher bekannten Realitäten hat Ich-Erzählerin Cara aus den Wastelands gerade mal in acht überlebt und die Geschichte beginnt damit, wie sie in einer davon eine weitere Version von sich zu Tode geprügelt auffindet, ihre Chance nützt und deren Identität annimmt. Das ist zunächst ein wenig verwirrend, wird im Laufe der Erzählung aber gut erklärt. Johnson hat unglaublich viele Themen und sie will sie alle alle unterbringen: unterdrückte gleichgeschlechtliche Beziehungen, Familie und all deren Facetten, Glaube und Religion, Ausbeutung in jeder Form, Gewalt, Gewalt, Gewalt, Klimawandel, Rassismus, Armut, Ressourcenmangel, Hunger, Chancenungleichheit in Bildung, Gesundheitsversorgung usw., Kapitalismuskritik, Prostitution – wobei, das Konzept der “Houses” als sicherer Hafen hat einen gewissen Charme. Aber davon einmal abgesehen: ganz bestimmt gut gemeint, aber leider überfrachtet. Vollkommen überfrachtet.
Ich habe die Heldin mehrfach bewundert, wie sie die verschiedenen Varianten ihrer Bezugspersonen in den vielen verschiedenen Realiäten auseinanderhalten kann – ich war ja schon beim Lesen überfordert. Da hätte ein gutes Lektorat Segen stiften und das Konvulut um ein paar Erzählstränge kürzen können – die eigentliche Botschaft wäre dennoch nicht verloren gegangen.
Spannend? Fraglos. Neu? Das auch. Vorbehaltlos empfehlen kann ich das Buch trotzdem nicht. Zu viel des Guten ist halt auch zu viel. Wer’s dennoch lesen mag, kann mein Exemplar haben. In meiner Bibliothek wird es nicht zu einem der Bleibenden.