Maximal genervt

Nach mehreren Planänderungen fahre ich doch schon heute zurück. Nicht gestern, wie kurz diskutiert wurde, und schon gar nicht morgen, weil zwischenzeitlich die Erkenntnis wuchs, dass dann ja keiner im Münchner Büro wäre, um dort die Freitagstermine wahrzunehmen. Weil aber auch einer im Hunsrück bleiben muss, um dort die Freitagstermine wahrzunehmen, hat der Terminkonflikt unsere Fahrgemeinschaft aufgelöst und nun sitze ich im Zug. Im schon zweiten von zweien heute.

Beim ersten handelte es sich um einen Regional – haha – Express, ohne Internet, dafür mit Stops an jedem Misthaufen von Bingen bis Frankfurt Flughafen (Regionalbahnhof). Den ICE, in dem ich nun sitze, habe ich über eine Auswahl von Rolltreppen, Laufbändern, nicht unterstützte Fußmärsche sowie zwei Aufzüge in die Katakomben des Fraport zum “Fernbahnhof” erreicht. Was für ein überaus seltsames Gefühl, in diesem eigenartigen Jahr sich durch Menschenmassen auf einen betriebsamen Flughafen zu winden. Einen Rucksack auf dem Buckel und ein Rollköfferchen nach sich ziehend, einen wachsenden Schweißfilm auf der Stirn und die Abfahrtszeit in der knapp bemessenen Umsteigezeit fest im Blick. Fast wie vor dem Abflug in den Urlaub. Wie früher.

Als ich am Gleis ankomme, steht der Zug schon da und will in zwei Minuten weiterfahren. Auch recht, dann orientiere ich mich eben drinnen, wo bei der “geänderten Wagenreihung” das Erster-Klasse-Abteil mit dem von mir eigens reservierten allerletzten verfügbaren Einzelsitz zu finden ist. Fern, werde ich lernen. Unendlich fern. Zwischen den Zugteil, an den sie diesen Waggon angeflanscht haben und dem, in dem ich mich jetzt gerade befinde, haben die Bahnoberen ein “Betriebsabteil” gesetzt. Man weiß, was das bedeutet: Ende der Welt. Da finden die berühmten Königskinder noch leichter zu einander als ich ans andere Zugende. Okay, dann halt nicht. Such ich mir halt woanders einen Platz, ist ja nur für vier Stunden.

Ich müßte nur irgendwie durch das Abteil kommen, in der eine offensichtlich soeben aus Asien angelandete Gruppe versucht, sich und ihr teuer bezahltes Übergepäck zu verstauen, wobei ein jeder und eine jede von ihnen die Maske im Freistil trägt. Jeder anders, keiner über Mund und Nase. Ich weiß schon, warum ich aktuell nicht Zug fahren will. Ich geh ja sonst auch nicht wohin, wo viele Menschen sind. Aus den Lautsprechern klingen entnervte Durchsagen und erzählen von “Musenschutz”, “in Deutschland halten wir uns aber ans Gesetz”, “sonst steigen Sie aber gerne am nächsten Bahnhof aus”, “aber, aber, aber” und die ganze Mühe fruchtet genau nichts. Irgendwann sind die Riesenkoffer verräumt und die eher zartgliedrigen Menschen dazu sitzen auf ihren Sitzen und ich flitze durch den Waggon, in den nächsten und übernächsten und noch einen – und der ist nur sehr lose besetzt und nicht ein Platz ist reserviert. Hier bin ich, hier bleib ich.

Das erste Drittel meiner Fahrt habe ich schon fast hinter mir, die erste feuchte Maske gegen eine trockene ausgetauscht. Wenn nur mein Buch nicht schon fast ausgelesen wäre – ich hatte ja nicht damit gerechnet, Reiselektüre zu brauchen. Aber solange das W-Lan hier funktioniert, werde ich mich zu beschäftigen wissen.

(Stelle zu meiner Freude fest, dass ich mir den maximal genervten Zustand aus der Überschrift inzwischen von der Seele geschrieben habe. Vielleicht mache ich in meiner nunmehr entspannten Stimmung einfach ein Nickerchen?)

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