Matthias Brandt erzählt Geschichten aus der Zeit, in der wir beide noch Kinder waren und der Stolz eines jeden Knaben ein Bonanzarad. Einer Zeit, in der das Volk des Abends allwissende Zeremonienmeister in großkarierten Jacken oder mit Loriot-Hund oder Luftsprung* in sein Wohnzimmer einlud, nach der Sendung den Fernsehschrank verschloß und lang vor dem Testbild im Bett war. Der Zeit, in der Matthias’ Vater Kanzler war und die Bunnshauptstadt Bonn hieß. Beim ersten Weglesen scheinen die Kurzgeschichten eher belanglose Döntjes eines Kindes aus privilegiertem Hause zu sein. Sieht man aber näher hin, reflektiert der erwachsene Mann sein Kindheits-Ich in einer Weise, die man nicht allzu häufig liest. Und wenn man ganz genau aufpaßt, findet man in jeder Geschichte mindestens einen Satz, der in seiner Prägnanz geradezu atemberaubend ist. Diese Fundstücke machen das Büchlein lesenswert. Außerdem kann Brandt Grammatik und das ist so dermaßen wohltuend.
* Eine in dieser Epoche zufällig mitgehörte Unterhaltung im Treppenhaus, die sich mir fest eingeprägt hat: “Der ist doch Jude? Bei dem Namen?” – “Sieht gar nicht danach aus…”