Es hatte sich ja schon länger abgezeichnet, aber in dieser Episode hat Harry Bingham seine Heldin nun endgültig zur Vigilantin gemacht. Sie steht zwar als Polizistin auf der Seite von Recht und Gesetz, aber nur so lange, wie die Bösen nicht irgendwelche (leider vollkommen legalen) Schlupflöcher und Grauzonen ausnutzen. Dann setzt sie ihnen außer Recht und Gesetz (das schon) ihr über inzwischen 6 Bücher ausgebautes Netzwerk aus Hackern, Ex-Spetsnaz, Fälschern, Russenmafia, Ex-Polizisten usw. entgegen. Oder ruft Papa, ehemals Unterweltkönig. Finanzieren kann sie ihre Vigilante-Nebenjob-Aktionen mit einer erklecklichen Summe Geldes, die bei einer früheren Ermittlung vom Laster gefallen ist und deren Existenz sie den Behörden nie angezeigt hat. Das tut dem keinen Abbruch, dass auch dieser sehr britisch-mythische Fall wieder sauspannend ist. Der Mann schreibt ja nun auch keine Polizeidoku, sondern Unterhaltungsliteratur. Dichterische Freiheit darf schon sein.
Was mich aber in jedem Buch aufs neue stört… Bingham hat mir ein bißchen zu viel Spaß an Gewalt. Die eher kleine und zartwüchsige Fiona Griffiths muß jedes Mal in den erbarmungslosen Nahkampf, gerne mit riesigen muskulösen ehemaligen Angehörigen von Spezialeinheiten, gerne in der Überzahl. Was gut, dass er sie Krav Maga hat lernen lassen, so überlebt sie immerhin mehr als einmal nur um ganz knappe Haaresbreite und er kann weiterschreiben. Am meisten Freude scheint es ihm zu bereiten, sich auszumalen, wie feine Leute, die sich über dem Gesetz stehend wähnen, doch in den Knast kommen. Selbstverständlich in die schlimmsten aller vorstellbaren Knäste, irgendwo fern im nebelumwaderten Moor, wo tätowierte Gewaltverbrecher mit nichts zu verlieren sowie einem Stecker im Ohr (immer!) nur darauf warten, ihre Brutalität an ihnen auszuleben. Und jedes Mal, wirklich jedes Mal, mit ganz und gar nicht latenten Vergewaltigungsphantasien. (Was die schweren Jungs mit so einem hübschen Kerl wie dir, hähä, höhö…) Dabei bräuchte es das gar nicht. Nicht für die Spannung, nicht für die Entwicklung der Handlung. Für nichts. Außer, dass Bingham einfach ein bißchen zu viel Spaß daran hat, sowas zu schreiben.
Ich würds ihm streichen.
Trotzdem: ich hätte jetzt aufgeschlossen und erwarte, dass Band 7 demnächst erscheint.