Am Samstagabend ist Feria in Villamartín “und da müssen wir hin”.
Jeder andalusische Ort, der auf sich hält, hat ein eigens ausgewiesenes Feriagelände, wo ursprünglich am Namenstag des zuständigen Schutzheiligen ein Pferdemarkt veranstaltet wurde, der nun in der neueren Zeit eher abseits gelegen stattfindet. Dafür gibt es ganz prominent einen Jahrmarkt mit Fahrgeschäften, viele Eß- und Trinkstände, eine Art Dult mit Piratenmarken, Kruscht, Krempel, noch mehr Unnützem, darunter geradezu unglaubliche Mengen an täuschend echt aussehenden Plastikwaffen für den kleinen Hombre (“nicht ohne meine AK 47”) und Irgendwas in Pink mit Einhorn für seine kleine Hermana (Schwesterchen). Zwischen den Festzelten am Eingang des Geländes sind zwei Bahnen mit Sägespänen ausgestreut, für Reiter und Kutschen, eine für hin, eine für zurück, weil Gegenverkehr gegen später gefährlich werden könnte.
Wir sind für andalusische Verhältnisse sehr früh dran, was daran liegt, dass die Pferde um 20:00 Uhr heim in den Stall müssen und man wirklich einmal gesehen haben muss, wie die Caballeros einem stolz gestreckt was vorreiten. Also nehmen wir uns in einem Zelt in Mittellage in der Poolposition Platz, richten die Stühle zur Straße aus, bestellen einen Krug Rebojito (Sherry + Seven Up mit einem Minzstengel), freuen uns, dass unser Zelt noch keine Musik macht, weil die von gegenüber eh so laut ist, dass wir einander anschreien müssen und sehen Karins Aussage bestätigt, dass der andalusische Reiter nur zwei Reitkunststücke zu beherrschen braucht: einmal Schritt (um bis zum Zelt zu kommen) und dann noch die Vorderhandwendung, um zur Bar einzuschlagen. Getrunken wird anschließend hoch zu Roß. Außerdem kennt das Tier nötigenfalls den Heimweg.
Die meisten Reiter sind traditionell gekleidet: hochbündige Hosen, weißes Hemd, Weste, Hut. Manche haben zu Dekorationszwecken hinten im Damensattel eine total aufgebrezelte Frau sitzen. Die Damen müssen da hinaufgehoben worden sein: sie tragen andalusische Tracht mit bis kurz über den Knien hautengem und dann weit schwingendem Rock (bei der einen oder anderen vermute ich stark, dass sie nachmittags extra für die Feria in ihr Gewand eingenäht wurde), was sie auf dem Pferd sehr hübsch und grazil wirken läßt. Die Wirkung verfliegt in dem Moment, wenn die Füßchen in den hochhackigen Schuhen den Erdboden berühren, weil das bißchen Trippelschritt, das dieser Schnitt erlaubt, eher an die eingebundenen Füße asiatischer Schönheiten erinnern, als an eine thsolthze Carrrmen, olé! Trotzdem. Das Aufbrezeln scheint den Señoras und -ritas hierzulande im Blut zu liegen: Mädchen, versichert unsere Gewährszugereiste, werden bereits mit Blumen im Haar und kokett einen Fächer haltend geboren. Bei Knaben reichen O-Beine.
Ich bin ja nicht direkt eine Aufbrezelkönigin, aber vielleicht wird aus mir doch noch mal ein Dame. Wie wäre es, wenn ich klein anfinge und mir einen Fächer kaufte? Und wo besser auf einer andalusischen Feria, hmmm? Die Antwort auf diese schwer naive Frage: Überall. Überall besser. Irgendwo zwischen dem Bunt- und Unnützplastikdreck führen insgesamt drei von umpfzig Ständen überhaupt Fächer und die sind abartig häßlich und samt und sonders made in China. Madre de Dios, wer will den sowas?
Ja. Nee. Die haben am Eingang welche aus Pappe verschenkt – ich glaub, der reicht mir auf meinem Trippelschrittweg zur Damenwerdung erst mal. Wir fahren hier wieder weg und machen irgendjemanden aus dem Stau, der sich nun nach Anbruch der Dunkelheit nach Villamartín hineinsteht, mit unserem Parkplatz sehr glücklich.