Wie man mich in den Kommunikationswissenschaften gelehrt hat, fange ich mit einem Kompliment an: Die Bildersprache? Ungeschlagen. Dieser Kameraflug über die Gewächshausplantagen im dystopischen Südkalifornien? Mitreißend, beieindruckend, bedrückend. Und dann dieser fliegende Wechsel vom ganz Großen ins ganz Kleine: Ryan Goslings bebende Nasenflügel in Großaufnahme. Obwohl. “Bebend”, ist das der korrekte Terminus? Zittern Nasenflügel eher oder ist das ein Blähen (eine Blähung wohl hoffentlich nicht) oder ist die tierischen Nüstern vorbehalten? Zucken sie vielleicht und ist es wirklich das, was Ryan Gosling damit macht bzw. tun würde, wäre er denn ein Karnickel?
Also, einfach ist das nicht. Einigen wir uns einfach drauf, dass Denis Villeneuve die Nase des Herrn Gosling und im Speziellen deren hyperbewegliche und sprechende Flügel ganz wunderbar eingefangen hat. Überhaupt, Gosling. Ich war mir ja immer noch nicht sicher, ob er wirklich ein guter Schauspieler ist. Aber hier hält die Kamera einfach drauf und läßt Goslings Figur die Zeit, mit seiner doch sehr ausdrucksfähigen Mimik zu zeigen, was da gerade hinter ihrer Stirn vorgeht und die Betrachterin erinnert sich mit einem wohllüstigen Seufzen an “Driver”. Gosling spielt übrigens Harrison Ford, weil Ford in diesem Film (wie immer) sich selbst und um 40 Jahre gealtert gibt.
An der Story hat sich nicht viel geändert, außer, dass man es inzwischen geschafft hat, die künstlichen Lebensformen zu perfekten Sklaven weiterzuentwickeln, denen jedes Bewußtsein für ihre Lage fehlt und die darum natürlich auch nicht revoltieren. Ein Android (or is he?) wird ausgeschickt, Androiden zu eliminieren und tut das anfangs wie geheißen, bis in ihm Zweifel wachsen, ob er das Richtige tut. Diese Zweifel werden von seiner KI-Gesellschafterin genährt – ich wähle dieses altmodische Wort, weil sie genau diese altmodische Rolle erfüllt und alles außer Sex* im Programm hat und allein die Aneinanderreihung archetypischer amerikanischer Frauen, die sie gibt, um seinen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist es wert, den Film anzusehen. Und natürlich, dass Los Angeles in einem permanenten Schneesturm ersäuft.
Warum ich trotz aller Dystopie und Philosophie (denn davon gibt es reichlich – immer ausgehend von der Frage “Was ist der Mensch?”) trotzdem nicht ganz glücklich mit dem neuen Bladerunner bin? Es liegt, glaube ich, daran, dass ich die Kinoversion des Filmes nicht verstanden habe. Manche Kameraeinstellungen dauern gefühlte Ewigkeiten, dafür passiert die eine oder andere Entwicklung so rappelschnell, dass sie in der Luft hängenbleibt, weil man gar nicht weiß (und auch nicht herleiten kann), was die Figur nun gerade antreibt. Ich tröste mich damit, dass es irgendwann einen Director’s Cut geben wird.
Und schon allein, dass ich vorhabe, mich dann durch wieviele Stunden auch immer zu sehen, ist doch Empfehlung genug. Odrr?
* Im neuen “Bladerunner” beschafft die Gesellschafterin ihrem Gosling eine Prostituierte, mit der sie dann morpht – was eine sehr interessante Sex-Szene ergibt, mich aber eher gegraust hat. (“The Handmaid’s Tale” sitzt bei mir da offensichtlich recht tief.)