Broken Bavarian

Im Heilheim war ja immer so viel los, dass ich gar nicht dazu gekommen bin, alles zu erzählen (mußte ja nebenher auch noch turnen und heilen). Darum hier im Nachtrag meine Lieblingsgeschichten von einer ausländischen Mitpatientin, nur gebrochen der deutschen und gar kein bißchen der bayerischen Sprache mächtig.

Wir waren gemeinsam in der Hüft/Knie-Gruppe, was man sich so vorzustellen hat, dass in einem großen Raum ca. 20 Liegen stehen (je 10 auf einer Seite), auf die sich mehr oder minder gelenkig die Turnteilnehmer in eine Art Rückenlage wurschteln, nachdem sie vorher in unverständlich großer Hektik ihre diversen Gehilfen geparkt, ihre Schuhe ausgezogen, aus dem Krüppelbeutel ihr Krüppellaken genestetelt und über ihre Liege ausgebreitet hatten. Dabei fällt alles mehrfach zu Boden, das ist Heilheimgesetz.

Wenn alle liegen, tritt Therapeut oder Therapeutin auf und fragt in einer von Morgenmoderatorfröhlichkeit geprägten Stimmlage die Anwesenheiten ab, danach entsteht noch einmal Unruhe, weil Therapieplan lesen und verstehen nicht jedermanns Stärke und immer wenigstens zwei zu früh dran oder in der falschen Klasse sind, die müssen wieder gehen. (Obiger Prozess in reverse.) Danach geht die halbstündige Therapieeinheit los und da sich die 30 Minuten inklusive Rüstzeiten verstehen, sind 10 schon lässig um. Jetzt aber zackig!

Beugen, Strecken, und immer darauf achten, dass “d’Fiaß durchg’streckt san”. Die Füße der ausländischen Mitturnerin sind schon um mindestens zwei Schuhgrößen länger, die Zehenspitzen berühren schon beinahe die Wolken, aber es ist immer noch nicht recht. “Die ganzen Fiaß müssen’S strecken…” und es dauert eine Weile (und bedarf meiner Intervention) bis sie versteht, dass in der Bayern der Fuß halt mal nicht am Knöchel endet, sondern am Becken. Danach geht’s ganz gut und sie lockert mit ihrem anhaltenden Kopfschütteln auch noch den Hals- und Schulterbereich ganz vorbildlich. Dann ist die Stunde um, alle hüpfen gazellengleich (höhö) von ihren Liegen, Tücher werden gefaltet, in die Krüppelbeutel verbracht und Therapiepläne studiert, bis der Therapeut endlich mit dem Einer-für-Alle-langstieligen-Schuhlöffel kommt (man möchte sich ja keine solche Blöße geben wie die anderen vorhin). Dabei fällt nochmal viel um, wird nochmal viel aufgehoben und der Raum ist endlich frei für die ungeduldigen Nach(d)rücker.

Die Dame hatte danach für den Rest des Tages frei und erzählte mir abends, dass sie an diesem schönen Nachmittag einfach nur mit dem Schifferl zur Herreninsel fahren wollte und dies schließlich auch gelungen sei, weil sie und der Fahrkartenverkäufer sich nach einigen fruchtlosen Anläufen “janz prima” auf Englisch verständigen konnten.

Wesseling liegt übrigens auf halbem Wege zwischen Bonn und Köln, ganz weit weg vom Weißwurstäquator.

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