Ein Vorteil dessen, daß ich einen viel zu großen Anteil meines Lebens auf der Straße verbringe, ist der, daß ich schon fast sicher sagen kann, ob ein Autoaufkleber wohl flockblog-Potential hat. Wenn ichs recht bedenke, ist das aber auch schon der einzige.
Aber zurück zum Thema. Aufkleber. Auf Autos. Die überwiegende Anzahl aller Menschen, die hier berechtigt sind, ein Kraftfahrzeug zu führen, haben einen immensen Mitteilungsdrang. Informationen! Umsonst und gratis für alle, die mit ihnen hier im Stau stehen! Anzahl und Beschaffenheit ihrer Familienmitglieder via “stick figure family” plus Hund, Katze, Maus, Lieblingssender (ungeschlagen an der Spitze “Catholic Radio”), schulische Erfolge des “Honor-Student”-Nachwuchses, Meinung (für Frieden, gegen Staudämme, unentschieden hinsichtlich Seelöwen und ganz klar dafür, daß Tahoe blau bleiben muß) und vor allem Zugehörigkeit zu irgendeiner Gruppe. Ob einer Alumnus einer Hochschule ist, Unterstützer oder Gegner einer Partei, in einem Arbeitsverhältnis befindlich (unglaublich, wie viele Menschen hier die Logos ihrer Arbeitgeber zur Schau stellen), aktiv in einem Sportverein oder – häufiger – in einem Fanclub oder eine von “Job’s Daughters International” – Hauptsache, der Welt mitgeteilt.
Das ist genau die Art Aufkleber, bei der mein flockblog-Radar ausschlägt – wer um Himmels Willen sind Hiobs* Töchter, was machen die, wenn der HErr sie nicht mit Aussatz schlägt und wo, warum, weswegen?
Hiobs Töchter sind eine Jugendorganisation der Freimaurer, 1920 gegründet von Ethel T. Wead Mick, deren Vorfahren beidelterlicherseits seinerzeit mit der Mayflower zugereist waren. Zu diesem Schiff sag ich nix mehr. Nie mehr. Der Verein heißt zuallererst mal nicht Verein, sondern Orden und steht jungen Mädchen und Frauen zwischen 10 und 20 Jahren offen, auf daß diese durch Moral und Gottesfurcht sowie Freimaurerbeziehungen (!) ihren Charakter bilden und außerdem Fahne, Vaterland, Eltern und Vormünde und zwar in dieser Reihenfolge ehren. (“The purpose of the Order was to band together young girls with Masonic relationship for character building through moral and spiritual development by teaching a greater reverence for God and the Holy Scriptures: loyalty to the Flag and the Country for which it stands, and respect for parents and Guardians.”**) Irgendwie drängt sich der Eindruck auf, als habe die gute “Mother Mick” da eine Art Schulorden für zukünftige brave folgsame Freimaurerehefrauen gegründet.
Klingt das jetzt so, als könnte ich die nicht leiden? Das mag daran liegen, daß ich sonst ja nie wen in solchen Organisationen kenne, aber mit Freimaurern schon sehr viel Spaß hatte. Und ja, das ist ironisch gemeint. Unsere alte Bürogarage lag im Untergeschoß eines sehr verwinkelten Gebäudes, unser – im Hause wohnender – Vermieter war der Palo Alto Masonic Temple. Jeden Dienstag, den Gott werden ließ, also einen pro Woche, rückten die Logenbrüder über unseren Köpfen die schweren Eichenmöbel an die Wand, um ab frühem Nachmittag zu seltsamen Weisen das Tanzbein zu schwingen. Leider waren die meisten mit altersbedingten bewegungseinschränkenden Leiden geschlagen und das hieß für uns, eine Etage drunter: arhythmischem Gehumple zu mißgestimmter Musik. Das ist nicht gerade konzentrations- und schon gar nicht sympathiefördernd. Aber auch sonst war es schwierig, sie zu mögen: Selten mit einem Haufen solchermaßen mysogyner alter Männer wie denen in Lodge #364 zu tun gehabt. Das Gesocks sprach in Verhandlungen grundsätzlich mit dem nur zu Lehrzwecken mitgeführten männlichen Praktikanten, statt eine der beiden Frauen, die von Berufs wegen mit ihnen die Verlängerung des Mietvertrags diskutierten, auch nur eines Freimaurerblickes zu würdigen. So habe ich mich bisher nur im Krankenhaus gefühlt, wenn Arzt und Krankenschwester in meinem Beisein über mich in der dritten Person sprachen. Und die hörten immerhin gleich mit dem Unfug auf, wenn ich mich zu Wort meldete. Die Masons nicht.
Und deswegen, liebe Kinder, gibt es einen aus der Zeit gefallenen Verein wie die “Daughters” wohl heute noch.
Übrigens, falls jemand ein paar Minuten Zeit übrig hat: hier ist die aktuelle Präsentation der “Daughters” zu den Themen Sicherheit & Achtsamkeit http://www.jobsdaughtersinternational.org/YPP/DSAP/JDI-DSAP-03-2014.pdf – ein Paradebeispiel für die unheilige Allianz zwischen religiösem Fanatismus und amerikanisch-paranoider Kindererziehung.
* Frau ist ja bibelfest und weiß, daß der Hiob in angelsächsischen Bibelübersetzungen Job heißt.
** Quelle: http://www.jobsdaughtersinternational.org/AboutUs/Founder.htm