Mir war die “Skilled Nursing Facility” gleich die Straße runter vom Krankenhaus schon auf den ersten Blick ziemlich zuwider, grau-schmierige Böden, Wände in Kotzgrün und Schleimgelb, schlurfende Kopfhängegeschöpfe und über dem ganzen ein Gestank wie in einem Feldlazarett in den Tropen nach der Mutter aller Schlachten. Inzwischen steht der Schuppen tatsächlich wegen eines Noro-Virus-Ausbruchs unter Quarantäne und man hat man mich gestern ohne weitere Umstände und Diskussionen in die Reha in Pacifica verbracht.
Seitdem hab ich zu tun. Wichtigste Übung: alleine rein und raus ins Bett. Bis heute früh war das jeweils eine schmerzhafte Aktion mit viel Grunzen und Drehen und wie-ein-Käfer-auf-dem-Rücken-fühlen, doch seit meiner Session mit Marjorie, meiner Occupational Therapist, benutze ich ein “Leg Up” (Stange, Schlaufe fertig) und jetzt geht das ziemlich flitzeflott. Ich habe für mich beschlossen, daß eine Woche Reha reicht und daß ich nächsten Samstag wieder nach Hause ziehen will. So sehr mir die Therapien gefallen und die Tips und Tricks für die Selbständigkeit, so wenig gefällt mir der Speiseplan. Den schreibt und kocht wer, der mich kennt und haßt: Rindfleischfetzen mit Glibberspeck in Dickbraunbatzsoße (“Gravy”), dünne weiße Nudeln in salzfreiem Wasser zu Tode gekocht, Zwiebelbohnengemüse ohne die winzigste Prise Gewürz und in einem Verhältnis von 3:1 zugunsten der Zwiebeln. Als Beilage Gurkensalat und Vollmilch, und zum Nachtisch Strawberry Chiffon Pie, also ein Berg roter Wackelpudding mit weißlichem Schmier. So, wie die hier Lebensmittel mißhandeln, wird mir das nebenher noch zu ungeplanten Diät. Zum Glück kommt Toni nachher und bringt mir ein Carepaket mit Selbstgebackenem.
Meine Genesung schreitet sehr erfolgreich voran, ich bin jung (für Hüftis) und “very armstrong” und kann ganz vieles schon alleine, wie zum Beispiel ein paar Stufen hinauf- und hinuntergehen. Das wird, und das wird vor allem schnell wieder. Ich freue mich schon auf die vielen “Dishes”, die man mir versprochen hat. In den hiesigen Köpfen steckt das ganz fest: wer krank ist, braucht zum Gesundwerden vor allem Essen. Am besten mundgerecht auf einem Teller schon fertig angerichtet. Ab nächste Woche, bitte. Aus allen Ecken der Welt bitte. Und noch das billigste indische Dal-Gericht wird besser schmecken, als das was diese Verbrecher hier in ihrer Küche produzieren? Küche? Ach was, das ist ein Labor. Wahrscheinlich Soylent Green 2014.
Jetzt weiß ich, was meine Mutter gemeint hat, daß man auf Kur keine Ruhe habe. Seit ich angefangen habe, diesen blogpost zu schreiben bin ich mit der PT Treppen gestiegen und wir haben ihren Ischias diskutiert (nicht gut, schon gar nicht in dem Beruf), war zweimal quer über den ganzen Flur zum Aufzug unterwegs und im 2. Stock wg. Therapeutenoffice aufsuchen, habe ca. 3 kg Admission-Paperwork bekommen, das ich noch heute alles ausfüllen und zurückgeben muß, bin zum 4. Mal gewogen worden, wobei die Ergebnisse bestenfalls zweifelhaft sind und ungefähr 12 – 20 Pfund voneinander abweichen (vielleicht wollen die das ekelhafte Soylent Green Konzept demnächst als Superdiät verscherbeln), bin meiner Nurse entlaufen, und habe den Tablettenstundenplan durcheinander gebracht, der Anstaltsarzt hat seine Deutschkenntnisse an mir ausprobiert und irgendwer in einem blauen Hemdchen vermißt die Wärmehaube meines Mittagessens. Nein, ich habe sie nicht zur Kotzschüssel umgemünzt. Hätte aber jedes Recht gehabt.
Kaum schimpft man übers Essen, schon kommt auch “Chef Chanelle” daher und ermutigt mich, den Speiseplan nach meinem Gusto zu überarbeiten. Einfach ausstreichen, was ich nicht mag und durch was ersetzen, das mir schmeckt. Ich habe ihr gesagt, daß sie bitte nicht beleidigt sein darf, wenn sie meine Liste bekommt. Nicht sie kocht schlecht, ich bin picky. Und zwar die Königin von Pickistan. Aber jetzt ehrlich, wer kommt den schon auf die Idee, Zwiebel-Gurken-Salat zuzubreiten? Chanelle? Hmm? Das tut man doch nicht. Werde mich jetzt sofort an die Strichliste machen… Habe mir Toni zu Hilfe genommen, der ist ja auch recht heiklig mit dem Essen. Wir haben übereinstimmend den Garlic Bread Stick vom Mittwoch für möglicherweise eßbar identifiziert und haben aber ein bißchen Angst vor “Egg of the Day” (wahrscheinlich mit allem, was wegmuß) und noch mehr vor “Fish du Jour”. Ich will mein Heilprogramm unter allen Umständen vor “Sloppy Joe’s” am Samstagabend abgeschlossen haben! Und bis dahin habe ich ein fettes Carepaket mit Tonis guten selbstgebackenen Brötchen und Zwieback.
Damit schließt das erste medizinische Bulletin aus der Reha, morgen lasse ich mir einen Strandpaß geben… Marathon in ca. 3 Monaten.