Gelesen: Hugh Howey – The Molly Fyde Saga

Ich habe eine Neigung zur Vollständigkeit und hätte alles immer gerne komplett. Wie? Zwanghaft? Ach woher denn, ich bin doch kein Nerd…

Um diesem Bedürfnis Genüge zu tun, mußte ich natürlich alles weglesen, was Hugh Howey außer “Wool” – http://bit.ly/108I0UJ sonst noch geschrieben hat. Unter anderem die bis dato vierbändige “Molly Fyde Saga”. Vor lauter lesen bin ich nicht mehr zum Schreiben gekommen. Aber seit Sonntag bin ich durch.

Hmmm, wo anfangen? Molly Fyde ist eine Space Opera, im wesentlichen Militär-Science Fiction, mit teilweise entwickelten, aber sehr vorhersehbaren Charakteren, schmissig geschrieben. Wobei der Kunstgriff, eine Geschichte damit voranzutreiben, daß die Helden ständig in Todesgefahr sind und ganz übel geschlagen, gefoltert oder sonstwie malträtiert werden, über die Zeit ein wenig langweilig wird. (Außerdem finde ich es unsäglich, wenn ein Verlag schlampig editiert und Bücher mit Tippfehlern oder – ganz schlimm – Namensverwechslungen veröffentlicht werden.)

Bei allen guten Ideen und Absichten (wohin gelangt eine Gesellschaft, in der Frauen unterdrückt werden; was passiert, wenn eine Rasse die absolute Macht anstrebt; wieso ist ein virtuelles Leben nach dem physischen Tod nicht zwingend ein Gewinn; was tun gegen die Energiekrise; warum ist selber sehen und begreifen besser, als an die Mär vom Erzfeind zu glauben usw. usf.) liest sich die Tetralogie stellenweise wie von einem sauberen amerikanischen Teenager geschrieben, der noch nie über den Rand seines Bundesstaats, geschweige denn seines Kontinents hinausgeblickt hat und Gründungsmitglied der unsäglichen  “True Love Waits”-Bewegung ist. (http://bit.ly/15D8RwY)

Beispiele? Gerne.
Also man stelle sich vor, daß nach einer riesigen zerstörerischen Mutter aller Weltraumschlachten ein winziges Häufchen Überlebender von allen möglichen Planeten und Gesinnungen (ich sage nur Navy und “Underground”) bei Mollys Raumschiff (das der Vernichtungsschlacht durch glückliche Fügung und Mollys Pilotengeschick entkommen ist) auf einer Waldlichtung zusammenfindet. Lagerfeuer, klar. Verbünden, um das Unmögliche zu wagen und den großen gemeinsamen Feind doch noch zu besiegen, auch klar. Aber wenn wer mal muß, dann benutzt er selbstverständlich den “bathroom” auf Mollys Schiff. Denn in den Wald pinkeln, das geht gar nicht.

Cole, Mollys große Liebe und Pilotenkollege von der Academy, wächst in den frühen 2000er Jahren als “slumrat” in einem “Barrio” in Portugal auf der alten Erde auf. Wenn er in seinem Slum zum Mittagessen geht (!), hat er die Auswahl zwischen verschiedenen Freßbuden und beim Chinesen gibt es selbstverständlich Free-Refill-Eiswasser aus dem “Watercooler” zu jeder Mahlzeit.

Vollends schlimm wird diese seltsame Mischung aus Prüderie und Naivität gegen Ende des vierten Bandes. Howey läßt zwar eine Hauptperson sterben (seit George R. R. Martin ist das recht beliebt), das schmerzt aber kaum, weil der Mensch fast das ganze Buch über eh im Hyperspace vermißt ist. Dann aber läßt Howey heiraten und man hat den Eindruck, daß ein Rudel kleiner Mädchen bei einer “slumber party” “Wedding” gespielt hat und für die tollste Phantasie irgendein rosafarbener Puschelpreis ausgelobt wurde. Howey hätte diesen Preis mit ganz großem Vorsprung gewonnen, es tun einem die Zähne weh, während man diesen pinken Zuckerbonbontraum liest. Dann ist aber erst das erste Paar verräumt und nun müssen auch Molly und Cole noch zusammenkommen. Die Hochzeitszeremonie selbst ist dankenswerterweise eher sparsam geschildert (es will scheinen, als habe er sich bei der Beschreibung der ersten Hochzeit zweier Aliens von ganz unterschiedlichen Planeten, huch! und auch noch mit deutlichen Unterschieden in Körpergröße und -behaarung ausgepowert). Dann aber begibt sich das junge Paar auf Hochzeitsreise und ich zitiere wörtlich aus Mollys Tagebuch: “Has a girl ever gotten married as a virgin, left on her honeymoon, and had a baby before they arrived at their destination?”

Nicht vergessen: Molly und Cole haben die letzten Jahre gemeinsam im Flugsimulator oder im Cockpit verbracht. Cole ist ihr erster Schwarm, ein anderer war nie. Er darf einmal eine ganz winzige sexuelle Phantasie (mit einer Rothaarigen!!) haben, die aber durch ein Hirntrauma erklärt wird. Puh! Sie ist ständig irgendwo eingesperrt, wird von dreimal stärkeren Männern zusammengeschlagen oder ausgeblutet – aber auf keiner der vielen Welten denkt auch nur ein Folterer an sexuelle Übergriffe. Was ein Glück, denn so können sich die beiden füreinander und ihre Hochzeitsnacht aufheben und haben dann kein anderes Ziel, als ein Kind zu zeugen.

Aaarrgghhhh. So spannend die Saga eigentlich ist, mit dieser Moralapostelei hat sich’s Mr. Howey mit mir ganz gründlich verdorben. Deswegen kann ich auch keine wirkliche Empfehlung aussprechen. Außer, daß er vielleicht die Creative Writing Klasse wiederholen sollte und sich um einen wirklich guten Lektor bemühen.

“Wool” lesen. Das ist besser und klug und kommt ohne den Zeigefinger aus.

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