Fünf Sterne und ein Hallelujah!

Wer hier schon mal öfter mitliest, dem ist bekannt, dass ich bei Kulturreisen nur auf einen Anbieter baue: Rothmüller-Reisen (s. z. B. hier: https://flockblog.de/?p=50712). Seit Jahren im Geschäft, zuverlässig, instruktiv und immer für eine hochwillkommene Sonderleistung gut. Mindestens eine.

Dieses Mal hatte ich Theater in Ergoldsbach gebucht. Was habe ich bekommen? Theater in Ergoldsbach, natürlich. Aber auch: Den Kosmos König. Jaha. Vielleicht sollte ich ausholen: Fritz König ist ein großer Sohn der Stadt Landshut und in diesem Jahr wird das 100. Geburtsjahr des Bildhauers begangen. Unter anderem mit der Möglichkeit, im Juni und Juli das Anwesen des Künstlers in Ganslberg, ein “lebendiges Denkmal”, zu besuchen. Es handelt sich um eine landschaftlich sehr schön gelegene sehr hügelige Fläche, die vom Künstler und seiner Frau Maria als Gestüt für Pferdezucht sowie Kunstareal mit um- oder neugestalteten Ateliers und Ausstellungsflächen, drin und draußen genutzt wurde. Leicht eingeschränkt in späteren Jahren, als der Freistaat Bayern mitten durch das Gelände eine Autobahn baute, aber hey, es waren die Achtziger. Der Künstler im eigenen Land noch nicht so geschätzt und das Auto ein Gott. Nachfolgend ein Bild der Skulptur “Autobahnvogel”, mit der König die Angelegenheit kommentierte.

Es ist hier… interessant. Alles, außer barrierefrei, ein Marsch durchs Gelände, also ganz meins… Ich besichtige im wesentlichen den Kunsthof und den dazugehörigen Skulpturengarten, bin hingerissen von den leider wenigen dort ausgestellten Epitaphen (davon will ich irgendwann mehr sehen) und etwas irritiert von der Heldenverehrung aller, die irgendwie mit dem Projekt zu tun haben. Hat fast ein bißchen Kultcharakter und mündet in dem ganz strikten Verbot der gralshütenden Nachfahren, Pfauen zu füttern sowie Pfauenfedern an sich zu nehmen – man wird schriftlich und mündlich mehrfach darauf hingewiesen. Ich habe die Viecher nur gehört und nicht gesehen und wäre auch ohne die Verbote nicht in Versuchung gekommen. Aber gut. Außerdem gelernt, dass Percy Adlon sich zum König-Biographen ausgerufen hat und es unzählige Filme gibt.

Anschließend kooperiert Rothmüller-Reisen mit einem lokalen Anbieter und führt in die “Schwimmschuimarie” aus, wo, wie der Name schon vermuten läßt, gute türkische Hausmannskost gereicht wird. Hinreichend gestärkt besuchen wir die Vorstellung (s. vorherigen flockblog-Beitrag).

Es wäre nicht Rothmüller-Reisen, wenn nicht auch die Rückfahrt noch ein Highlight bereithielte: Bei der Einfahrt nach München wird von der Rückbank live das Elfmeter-Schießen des Frauen-WM-Viertelfinales Frankreich:Deutschland kommentiert. Hier nochmal zum Anschauen, für die, die es verpasst haben sollten: https://www.youtube.com/watch?v=pou6PwWOtlM. Ich habs ja nicht so mit Fußball, aber selbst für mich Ignorantin gibt es nicht viel Spannenderes als Elfmeter-Schießen. Das mag ich dann schon. Und Rothmüller-Reisen liefert. Hach!

Ich bin einfach ein Glückskind. Vielen Dank!

Theater in Niederbayern – Laienspielgruppe Ergoldsbach: “Das Gespenst von Canterville”

Vorrede: Mein Dreiländertsommertheatertour findet dieses Jahr ausschließlich in Unterröhrenbach statt, weil Frau Rothmüller erst nächstes Jahr wieder eine Regie in Südtirol macht und die Stadt Braunau und das dortige Bauhoftheater irgendwie im Zwist liegen und diesen Sommer dafür gar nicht gespielt wird. Umso mehr habe ich mich auf die Ergoldsbacher gefreut.

Sie haben es nicht leicht gehabt, mit der Bearbeitung dieser Novelle von Oscar Wilde. Der erste Teil ist ganz wunderbares Theaterfutter: eine amerikanische Familie, laut und rumpelig (sehr schön, alle miteinander) kauft sich ein Schloß in ye goode olde England, Haus und Hof, Inventar und Personal inkl. Gespenst, alles inbegriffen. Der alte Lord ist bei der Übergabe mit verblüffend amerikanischem Akzent englisch-exzentrisch, das Hauspersonal (Antje Haschke und Birgit Kilic, letztere ein ganz wunderbarer Neuzugang, hach!) snobistischer als die Herrschaft, das Gespenst (Ernst Baumann in einer Rolle, an der er viel Freude hat) ob der unerwünschten Kolonisierung sehr erzürnt. Hübsch! Das Ensemble tobt sich in dem sehr großartigen Bühnenbild mit großer Spielfreude aus, hat und macht Spaß.

Die Kulturen krachen aufeinander: Geisterketten rasseln? Dagegen haben die Amerikaner Schmieröl. Der Blutfleck stört? Dagegen gibt es gutes amerikanisches Sprühputzmittel (sehr hübsch Emily Köhls Werbespot). Egal, was das Gespenst aus dem Arsenal holt, die Amis haben ein Gegenmittel. Zum Glück tritt ab und zu der Vorfahre Beau Byron (!) (David Dauksch) aus dem Rahmen seines Gemäldes und berät den zunehmend ratlosen Geist, der über seinen Aktionen beinahe noch seinen Kopf verliert. (Findet sich im Wäscheschrank. Viel gelacht.)

Im zweiten Teil wird es schwerer, da hat Wilde nämlich eigentlich nur noch die Moral von der Geschicht zu bieten und das spielt sich etwas zäher. Regisseurin Sylvia Ammer hat sich aber davon nicht einschüchtern lassen und läßt gleich nach der Pause das ursprüngliche Opfer, die vom Gespenst ermordete Gattin, zu Wort kommen (ausgesprochen schön, auch wenn ich leider den Namen der Schauspielerin nicht weiß) und die musikalische Untermalung spielt die violett-satin-behandschuhte Hand aus der Wand, an der ich mich bis zum Schluss nicht sattsehen konnte.

Weil die älteste Tochter Virginia (!) (Emma Grieger) brav, gut und jungfräulich ist (ach, Herr Wilde), löst sich alles in Wohlgefallen auf und sie wird auch gleich noch verlobt – wie gesagt, wenn’s gar so moralinsauer ist, spielt es sich etwas schwerer. Aber sie haben das sehr schön gemacht und ich freue mich schon wieder auf nächstes Jahr.