Gelesen: Alexander Gallus (Hg.) – “ad »Weltbühne« – Ausgewählte kritische Kommentare zur Weimarer Republik”

Gallus lehrt an der TU Chemnitz und hat sich in seinen Forschungen auf die deutsche Literaturgeschichte zu Anfang des 20. Jahrhunderts spezialisiert. Dieser schmale, vom Herausgeber ausgesprochen schön und liebevoll besorgte Band mit ausgewählten Artikeln aus der Weltbühne über die Zeitspanne der Weimarer Republik dürfte eine Nebenprodukt seiner akademischen Arbeit sein und ich für meinen Teil bin dankbar, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, diese Texte zusammenzustellen.

Gleich zu Beginn das Manifest des Rats geistiger Arbeiter ist herzerschütternd aktuell. Und wiewohl der allgemeine Konsens besteht, dass “Berlin nicht Weimar” sei und sein könnte, weil, ja, die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Allmacht des Präsidenten gekappt und eine Fünfprozenthürde eingebaut haben… Wenn ich einen hundert Jahre alten Text wie den nachfolgenden von Alfons Steiniger aus dem Januar 1924 lese, finde ich mindestens Parallelen.

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in eine Zeit (und eine Gegend) geraten könnte, in der Demokratie als System nicht außer Zweifel steht. Möglicherweise war meine lebenslängliche Auseinandersetzung mit Dystopien nur das Grundstudium für die Verteidigung eines Systems, das ich bis zum Beweis des Gegenteils für das beste aller möglichen halte. Hah!

Ach ja, und zurück zum Buch: meines kann ausgeliehen werden und ich verspreche eine lohnende Lektüre. Lesen! Lesen! Lesen!

Rentenratgeber

Es gibt morgens im Supermarkt ein ganz kleines Zeitfenster zwischen dem Aufmarsch einer senilbettflüchtigen Greisenschar, die bereits vor Ladenöffnung Aufstellung vor den Türen nimmt und denen, die erstmal in aller Ruhe Morgentoilette und Frühstück hinter sich bringen, um dann, erst recht in aller und mehr Ruhe, ihren Einkäufen nachzugehen. Wozu ganz unbedingt gehört, inmitten einer Wagenburg zwischen Rollator und Einkaufswagen in aller Ruhe vor den Regalen Aufstellung zu nehmen und sich von der Auswahl in aller Ruhe zu einer Kaufentscheidung inspirieren zu lassen.

Für die Kassenschlange reicht die mitgebrachte Ruhe dann nicht mehr. Da wird allen die Zeit knapp und aufgeregt nach schnellem Abkassierpersonal gerufen. Wohl der, die die Selbstauscheckkasse bedienen kann.