Mein persönlicher Theatersommer… LSG Ergoldsbach, Niederbayern: “Die göttliche Komödie”, Uraufführung – Nachtkritik

Mei, war des scheee!

Götter, Gräber und Gel…, Ach Quatsch: Götter & Göttinnen, Halbgötter und -innen, Nymphen, Helden, Sterbliche, bunt durcheinander. Aber egal, wie hoch oben in der olympischen Hierarchie, es menschelt allerorten.

Ernst Baumanns wunderbarer Zeus, ein Meister (wenigstens) lüsterner Blicke kriegt einfach seine ungebrochene Lust auf andere Frauen nicht in Einklang mit den Treue-Ansprüchen seiner Göttergattin Hera (Antje Haschke). Dabei will er doch nur Ruhe und Frieden daheim sowie gleichzeitig alles, was an Nymphen (ganz herrlich Emma Grieger, Birgit Butz, Susanne Dachs (für sie noch eine extra lobende Erwähnung für den Frust als verfluchte(s) Echo) nicht bei drei auf dem Baum ist.

Hermes (Moritz Windstoßer, was für eine Stimme, was für eine Bühnenpräsenz), Götter- und Paketbote, darüber hinaus Einlader, Kuppler, Sterblichen-Beschaffer sowie ganz allgemein schlichtweg zuständig und bloß am Rennen, kommt gar nicht nach, um die Macken des Chefs und – natürlich – Papas, irgendwie auszubügeln. Er macht das großartig. Hut ab.

Nicht, dass seine samt und sonders Halbgeschwister Athene (Sandra Samborski), Artemis (Amelie Windstoßer), Persephone (Nicole Schulze), Aphrodite (Miriam Scheidl), Apollo (Michael Reisinger, ein Barde, eines Troubadix würdig) und Dionysos (Sylvia Ammer, ein großer Spaß) auch nur einen guten Faden am Leib hätten – es scheint vielmehr, als hätten sie alle ihre schlechten Eigenschaften von Big Daddy Zeus geerbt.

Worum es geht? Zeus hätte gerne mit einem der Nymphchen einen weiteren Bastard gezeugt, jedoch weissagt das Online-Orakel von Delphi, gleich nach der Werbung für griechischen Wein und Drei-Götter-Taft, dass Thetis’ Sohn seinem Erzeuger überlegen sein werde. Das ist es dem Göttervater nun doch nicht wert und drum schickt er Hermes aus, einen sterblichen Gatten (sehr hübsch in seiner Verwirrung David Dauksch) für sie zu finden.

Zur Hochzeit wird die böse Fee, im olympischen Kontext die Göttin der Zwietracht, Eris (schön diabolisch Sabine Nückel) nicht eingeladen, kriegt das aber mit und kommt doch. Mit einem ganz besonderen Geschenk. Ein goldener Apfel, “für die Schönste”. Natürlich schlagen sich die Göttertöchter gleich um den Titel. Also ruft Zeus den “Miss Olymp”-Wettbewerb aus, verdichtet das Teilnehmerinnenfeld auf Hera, Athena und Aphrodite und schickt Hermes los, wieder einen Sterblichen als Schiedrichter zu besorgen. Das ist der dümmliche Hirte, wenn auch Königssohn Paris (Roman Waas), dieser erweist sich als bestechlich (Macht? Nein. Weisheit? Erst recht nicht. Die schönste aller Frauen? Aber hallo!), Aphrodite bekommt das Obst und schon geht die ganze Geschichte mit dem Trojanischen Krieg los. Dieses Stück ist derweil aus und hat viel Spaß gemacht.

Großes Komplement dem Regisseur Robert Ammer, nicht zuletzt für die ausgesprochen gelungene Musikauswahl. Außerdem den Bühnenbauern für dieses wunderschön gelungene Bühnenbild, der Technik für den Zeus’schen Blitz und Sylvia Ammer für die sagenhaften Kostüme. Macht ihr nur so weiter.

Eine Woche im Hunsrück oder Nichts passiert, aber davon jede Menge

  • Montag. Abendessen beim neuen Griechen im Ort. Der Herr vom Nachbartisch auf die Frage des Wirtes, ob es denn wohl geschmeckt habe: “Es war sehr gut. Und so viel. Ich hätte beinahe gekotzt.”
  • Dienstag. Bei einem Lehrbuben naht das Ausbildungsende und die davor gesetzten Prüfungen. Und? Wie sieht’s aus? Wird er es schaffen? Der Ausbilder ist zuversichtlich. Wird er, wenn er sich jetzt “ordentlich auf den Hodenboden setzt”.
  • Mittwoch. Die Kollegin übt Kritik an einem Mitarbeiter, denn “der dreht bei Mäusesachen durch wie’n Elefant”.
  • Donnerstag. Bin von der Frage: “Was ist deine Lieblingsfarbe im Alphabet?” hoffnungslos überfordert und fahre wieder heim.

Ein Algorithmus, wo keiner mit muss

Warum mir dieser Film (“Wolves of War”) aufgrund meines bisherigen Sehverhaltens als sehenswert empfohlen wurde, wird ein Geheimnis des auswählenden Algorithmus bleiben.

Aber das untertitelte Szenenfoto, das fand ich schon lustig. Danke.

Gelesen: Madeline Miller – “Circe”

Circe? Ja, das ist die, die wir aus Homers Odyssee kennen. Die, die Männer in Schweine verwandelt.

Das tut Millers Circe auch, aber nur mit Männern, die es auch verdienen – quasi eine Me-Too-Geschichte aus der Antike mit angeschlossener Selbstjustiz. Nach 400 Seiten, gut geschrieben, phantasievoll und spannend habe ich gelernt, dass man es als Halbgöttin nicht leicht hat, in einer Welt, in der die “alten” Götter noch nicht ganz durch sind mit ihrem Kampf um die Vorherrschaft, Mischwesen aller Art Wasser, Luft und Land bevölkern und dann auch noch Sterbliche. Der Mensch an sich, das personifizierte Durcheinander.

Miller, eine gelernte Historikerin, läßt ihre Heldin alle vorstellbaren Qualen und Freuden durchleben, ganz im Sinne des Geheimen Rats aus Weimar*. Dabei mögen die Götter sie gar nicht. Aber ihre Autorin mag sie, und läßt daher auf ein gutes Ende hoffen. Mehr sag ich mal nicht, soll doch jeder und jede selber lesen.

Zu Miller und ihren Romanen demnächst mehr. Ich glaube, ich höre vorerst mit den Roman-Interpretationen antiker Nebenfiguren (meist Frauen, denn von den Männern wissen wir seit Homer genug) erst einmal wieder auf. Es besteht ein Risiko von Übersättigung.

* Johann Wolfgang von Goethe, 1777:

Alles geben die Götter, die unendlichen,
Ihren Lieblingen ganz,
Alle Freuden, die unendlichen,
Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.

Neu auf Netflix: “Nimona”

Ich hatte den Comic von Noelle (nunmehr “ND”) Stevenson schon 2016, kurz nach dem Erscheinen des auf einem Webcomic basierenden Buches sehr gemocht (Trüffelschwein, ich sags ja) und mich auf den Film gefreut.

Dass es den gibt, ist nämlich eigentlich ein Glücksfall. Denn die Disney Corp. kaufte im Jahre 2020 (ein Scheißjahr, wie wir uns alle erinnern) die 21st Century Fox und damit deren Animationsstudio Blue Sky, absorbierte die laufenden Produktionen, soweit sie den corporate Vorgaben genügten und machte Ende 2021 Blue Sky dicht. Damit war das Projekt “Nimona” gestorben. Vermutlich zu queer. Zum Glück nahmen die Annapurna Pictures and Netflix die Produktion 2022 wieder auf und schlossen den Film ab.

Er ist sehr gut geraten. Die Fantasygeschichte vom betrogenen Ritter Ballister (Riz Ahmed) und der Formwandlerin (ganz besonders sehr Hach!: Chloë Grace Moretz) funktioniert auf vielen Ebenen, ganz besonders, als dieses Odd Couple seine Chemie findet, ist witzig, großartig animiert (zieh dich warm an, Pixar), schnell und schlüssig.

Der ganze Wirbel um den schwulen Kuß am Ende? Der war mir auch eine Runde zu woke, aber wenn ich sehe, wer sich und sein Volk deswegen nun um diesen lustigen Film bringt, dann brauchts das wohl doch noch. Küßt doch alle, wen ihr wollt.

Nachfolgend der Trailer mit ein paar verdienten Seitenhieben gegen Disney. Wem das gefällt, dem verspreche ich eine unterhaltsame Zeit.