Der “San Francisco Examiner”

ist eine Art “BĂ€ckerblume” mit Anspruch und Coupons.

Das (schon aufgrund der Coupons – das ist sowas Ă€hnliches wie Rabattmarken und dem amerikanischen SchnĂ€ppchenjĂ€ger wichtig wie sein tĂ€glich Brot) recht umfangreiche BlĂ€ttchen wird am Bahnhof jedem geschenkt, der es haben will. Mir auch, jeden Morgen… Inzwischen schlage ich als erstes immer die Seite mit den Leserbriefen auf. Was sich da an schrĂ€gen Vögeln tummelt ist einfach die helle Freude. Mein bisheriger Favorit war ein aufrechter Patriot, der schrieb, um alle “cops and armed forces” zu preisen, weil die Polizei gerade ungerechtfertigten Angriffen ausgesetzt sei.

(An Silvester erlegte ein BART-“officer” in einer Notwehrsituation in einer Bahnstation einen Schwarzen, der bĂ€uchlings mit dem Gesicht am Boden lag – und soll jetzt, aber das ist noch in Diskussion, tatsĂ€chlich möglicherweise wegen Mordes angeklagt werden.)

Der Herr schrieb also, dass er, wie jeder gute Amerikaner, jeden Morgen die Flagge grĂŒĂŸe, Gott dafĂŒr dankt, dass er Amerikaner ist und zog dann so recht vom Leder. Zusammengefaßt des Inhalts, dass jeder Polizist tĂ€glich sein Leben fĂŒr die ganze Bagage da draußen riskiere und man dann bei kleinen streßbedingten Fehlern einfach auch mal nachsichtig sein mĂŒsse. Er schĂ€tze zwar die Presse und andere Organisationen, aber die tĂ€ten halt nichts, wenn man wirklich Hilfe braucht. “The next time you have an emergency, instead of calling the police, call the ACLU. Let us know how that works out for you.” Ich erzĂ€hle es ungern weiter, aber er wohnt in San Bruno.

* ACLU = American Civil Liberties Union (http://www.aclu.org) mit dem Motto:”Freedom can’t protect itself”

Heute war entweder ich besonders albern, oder aber der Examiner: gleich der erste redaktionelle Artikel berichtete von einem Schurken, der seine Verteidigung darauf abstellt, dass er fĂŒr die begangene Tat “not mentally competent” sei. Das gefĂ€llt mir so gut, das werde ich behalten und bei passender Gelegenheit anwenden. Dann schimpfte Leserbriefschreiberin Campbell unter der Überschrift “As ugly as it gets” darĂŒber, dass die “Bush-Haters” und die liberale Presse daran Schuld seien, dass nun “solche Leute” ins Weiße Haus einziehen konnten. Am meisten hat sie sich darĂŒber aufgeregt, dass man so ekelig zu Mrs. Bush sein kann – ich zitiere: “Worse, liberals egged on by the high and mighty miffy press were completely ugly to Laura Bush – an intelligent, decent and honorable woman who would never waste the taxpayers money on $450 snacks at the Waldorf Astoria, as the new first lady did during the campaign – with whose money? No wonder Wall Street dove today.”

Eigentlich sollte ekelig zur Ex-First-Lady sein ein Straftatbestand werden. Oder das Verspeisen von 450-Dollar-HĂ€ppchen. Aber nur im Waldorf Astoria.

Als ob das nicht schon genug Schönes fĂŒr einen Tag gewesen wĂ€re, berichtet die Redaktion unter der Überschrift “The Daily Outrage”  von den Straßen von San Francisco – auch das zitiere ich wörtlich. (In Großbuchstaben jeweils die ZwischenĂŒberschriften.)

“WHO: Unknown suspects.
WHAT: Three people were shot and injured by someone in another car while driving early Monday on southbound Highway 101 in Brisbane.
WHY IT HAPPENED: Police said the shooting appeared to be the result of road rage. The victims, four men between 25 and 30 years old got into an altercation with another car around 2:30am, that ended, when someone in the other vehicle fired at least six rounds in the other car.

WHY IT’S A BAD IDEA: The roads are dangerous enough without angry drivers using weapons to settle disputes. Bay Area highways have been the scene of fatal shootings far too often, and these victims were very lucky to escape with their lives.”

Nach der Wettervorhersage, den Veranstaltungshinweisen und Klatsch und Tratsch aus der Nachbarschaft (Hollywood) geht dann ab Seite 35 die internationale Berichterstattung los. Was so auf der Welt geschieht, wird auf knapp zwei Seiten, davon viel Werbung und Coupons zum Ausschneiden, abgehandelt.

God bless America.

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