So dermaßen ausverkauft habe ich die Unterfahrt noch nie erlebt. Selbst die Stehplätze an den Seitentresen, wo sonst die Prospekte ausliegen, waren mir “Reserviert”-Schildchen versehen. Und warum? Weil James Carter ein Saxophon-Gott ist.
Das muss stimmen, weil die beiden alten weißen Männer, mit denen wir den Tisch gleich neben der Bühne und im vollen Einzugsbereich der lauten Leslie* teilten, haben das gesagt. Und sie wissen das so genau, weil sie a) selbst Saxophon spielen, davon der eine ehrlich und selbsterkennend “auf mittlerem Niveau” und der andere, der wie ein alter Qualtinger-Schauspieler mehr oder minder berühmte Orte und Menschen aus seinem Leben aufzählt, weil: sowas von Niveau, b) zu der Kohorte gehören, die im Saal in der Mehrheit ist und c) weil es eh stimmt. Ich habe selten gesehen und gehört, wie einer mit seinem Instrument, ach was, Plural, seinen Instrumenten so spielt – nicht nur im Sinne von Musik machen, sondern eben wirklich spielen, Spaß haben und machen, einen Dialog mit dem Publikum führen. Organist Gerard Gibbs (ich werde in diesem Leben kein Fan der Hammond-Orgel mehr) steht Carter da in nichts nach. Mindestens eine ebenso große Rampensau wie der Chef – die beiden als Duett großartig abgestimmt und einander Impulse gebend. Der Schlagzeuger Alex White bleibt dabei ganz merkwürdig außen vor – das habe ich so auch noch nie erlebt.
Der kluge Mann mit Niveau an unserem Tisch hat die “Zitate” mitgezählt und ist auf “mindestens 27” gekommen, ich bin ja nicht so musikalisch gebildet und habe viel viel weniger erkannt, aber doch meinen Spaß gehabt.
Bloß viel zu laut war’s. Das lag an…
* https://de.wikipedia.org/wiki/Leslie-Lautsprecher mit den rotierenden Lautabstralern, die mir beinahe die Ohren zerfetzt hätte. Für Krach habe ich zunehmend weniger Begabung.