Zu meinem Luxuswohnarrangement gehört die Nutzung des Fahrzeugs meiner Gastgeberin und so bin ich heute früh zu einer hiesigen Filiale von Trader Joe’s aufgebrochen, um mich mit dem Nötigsten für die nächsten Tage einzudecken. Mei, denk ich mir, die vielen herzigen kleinen Autos hier auf der Straße (außer bei der Einfahrt zu Aldi, wo vor mir zwei Mercedes-Cabrios und ein Ferrari ihre Parkplätze einnehmen) und wo verdammt, ist denn die Ampel? Ah, richtig, gleich hier über mir und nicht auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung – puuh, daran muß ich mich erst einmal wieder gewöhnen. Und daran, daß ein parkendes Zivilfahrzeug an einer Waldböschung ein parkendes Zivilfahrzeug an einer Waldböschung ist und keine bösen Lauercops, die mir wegen einer Geschwindigkeitsübertretung an Leib und Leben wollen. Ich bin total verblüfft, wie schnell ich da bin; es mag daran liegen, daß ich die Entfernung mit 1,5 multipliziert hatte.
Sodele, jetzt brauch ich einen Einkaufswagen. Da sprech ich doch einfach den Herrn an, der seinen gerade zurückrollert, aber wir kommen nicht ins Geschäft: ich habe nur eine schnöde 1-Euro-Münze, er hingegen ein “Markerl”. Und so laufe ich brav mit zwei Schritten Abstand hinter ihm her, bis er seinen Chip in Händen hält und ich den Wagen gegen Geld auslösen kann. Dabei überlege ich, daß es den Job des Einkaufswageneinsammlers- und zusammenschiebers und -zurückbringers hierzulande nicht gibt; für 1 Euro macht der Kunde das selbst. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich dieses Modell in Amerika durchsetzen würde. Es fängt schon damit an, daß die wenigsten wissen, daß es 1-Dollar-Münzen gibt – und für einen Quarter würden sie sich die Mühe nicht machen. (Das kann ich belegen: Einkaufswägen werden eher gleich auf dem Parkplatz stehen gelassen (soll doch der nächste schauen, wo er bleibt) oder mit großen Kraftaufwand irgendwo verkeilt, auch wenn das Rückgabehäuschen nur ein paar Schritte entfernt ist.)
Man möchte es nicht glauben, aber ich genieße das Warenangebot chez Aldi: es gibt so verrückte Dinge wie Stückseife (einzeln und nicht im Multipack, wobei auf die sprachliche Verirrung noch gesondert einzugehen sein wird), eine Palette voller Gelierzucker (man erinnere sich an meine Verzweiflung, als ich noch Obstbaummieterin und in dem ganzen großen Amerika nicht ein Päckchen davon aufzutreiben war: https://flockblog.de/?p=9652), blaurautige Wiesnbettwäsche im Saisonangebot und Hefe kommt geradezu wild vor. Das glaubt mir in Amerika immer keiner. Dort liegt sie, wenn überhaupt im Warenangebot, hinter Schloß und Riegel und wird, wenn wirklich jemand so wagemutig ist, lebende Keime kaufen zu wollen, vom Filialleiter mit Plastikhandschuhen entnommen und sofort in einen Plastikbeutel eingeschweißt. Man braucht übrigens drei amerikanische, um auf einen Standardwürfel frischer deutscher Hefe zu kommen und bezahlt dafür ca. 20 Dollares (oder nimmt eben die wesentlich günstigere und keimfreie Trockenhefe). Dann gerate ich in einen Frischwurschtrausch. Bierschinken. Fleischwurscht. Fleischsalat. Lyoner. Gebackener Bierschinken. Paprikalyoner. Geflügelfleischwurscht. Leberwurst. In fein, grob und Pastete. Regensburger. Wiener.
Halt! Stop! Ich bin ein Einpersonenhaushalt. Selbst, wenn ich die nächsten drei Wochen nur von Wurstbroten lebe, ist das zuviel. Viel zu viel! Schön wieder zurücklegen. Brav. Ich habe nicht gewußt, wie sehr ich gute frische Wurst vermißt habe. Seit Toni auch noch Laugenbäcker ist, war die Breznsehnsucht zumindest zeitweise gestillt und Trader Joe’s Käseauswahl für werktags allemal gut genug. Nur Wurscht, Wurscht gabs halt einfach nirgends eine gescheite. Ob ich nicht doch noch…? Nein. Nicht.
Ich packe meine Wurst und die paar Resteinkäufe aufs Band und die Kassiererin schubst alles, was ich nicht selbst sofort von dem winzigen Auslauf nach dem Scanner nehme, blitzeschnell in meinen Einkaufswagen. Richtig, diese Hetze beim Einkäufe verräumen ist ja auch so Urdeutsch. Noch ein Beruf, den es hier nicht gibt. Einkäufeeinpacker. Schad eigentlich.