Präsident Obamas aktuelle Aktionen sind ein Lehrstück dafür, daß eine lahme Ente sehr wohl sehr beweglich sein kann. So wie neulich erst mit der “Executive Order” zur Immigrationspolitik und nun mit dem Vorstoß, höhere Bildung kostenlos anzubieten. Community Colleges, so eine Art Hybrid zwischen Berufs-, Volkshoch- und Hochschule, sollen in den ersten beiden Jahren für Studenten mit einem Notendurchschnitt von C+* studiengebührenfrei sein. In Kalifornien betragen die Kosten zur Zeit ca. $5,000 pro Jahr für Vollzeit- und ca. $3,000 für 20-Wochenstunden-Studenten, in anderen Bundesstaaten sind sie noch höher. Finanziert werden soll das Projekt zu 75% aus Federal- und zu einem Viertel aus Bundesstaatsmitteln.
Zunächst ein paar Hintergründe: Die Vergabe von Studentendarlehen ist ein Milliardengeschäft, meist in privater Hand und mit einer entsprechenden Lobby. Der hiesige Durchschnittsstudent schließt die durchschnittliche Hochschule mit ca. $50,000 Schulden in “student loan debts” ab. Besucht er eine namhafte Universität, sind $50,000 die Studiengebühr für ein Jahr und der Betrag kann sich lässig vernünffachen. So startet das Berufsleben mit einer ordentlichen Hypothek. Ein Stipendium erlangt, wer athletische Talente vorweist, akademische werden in diesem Fall nicht zwingend vorausgesetzt. Der durchschnittliche Community College-Student kommt meist aus einfachen Verhältnissen und studiert oft noch berufsbegleitend, mit dem Effekt, daß sich die Studienzeit verlängert und die Schuldenlast wächst, da die Gebühren jährlich erhoben werden.
Warum, um alles in der Welt, kommt der Präsident jetzt daher und fordert kostenlosen Zugang zu einer akademischen Karriere? Es ist traurig, aber es ist reines Wahlkampfkalkül. Die Republikaner ließen sich brav umgehend mit den zu erwartenden pawlowschen Reaktionen verlauten. Hah! “Big Government” will sich in die Bildung einmischen? Hah! Das machen hier die Bundesstaaten** ganz schön selbst! Nicht mit uns. Hah! Wir sollen jedem einfach Zugang zu Bildung “schenken”? Hah! Nicht mit uns. Hah! Hat sich mal wer überlegt, daß dann die Kinder reicher Eltern auch umsonst auf eine Hochschule gehen können und Steuergelder verbraten, statt die Eltern zahlen zu lassen? Hah! Da sieht man’s doch! Die Idee taugt nichts, die Idee muß weg! Hah!
Dabei ist das Programm genauso halbscharig wie die Immigrationsreform. Erstens hat keiner nach den zwei Jahren Community College einen Abschluß; den Bachelor gibt es erst nach weiteren zwei Jahren (auf einer gebührenpflichtigen Hochschule). Zweitens sind die Lehrpläne von High Schools und Community Colleges nicht abgestimmt und häufig müssen Studenten im ersten Jahr “Course Work” für Scheine wiederholen, statt Neues zu lernen. Darüber hinaus machen die Studiengebühren nur einen Teil der Kosten aus – Steuererleichterungen für den Rest von Fahrtkosten bis Kinderbetreuung müßten begleitend angeboten werden, um die Zielgruppe wirklich zu erreichen. Und last but not least – mit der republikanischen Senatsmehrheit geht eine solche Reform ohnehin nie durch.
Was bleibt? Der gute Präsident Obama hats versucht, für die Armen und Schwachen, für die Witwen und Waisen, und ist an den bösen bösen Republikanern gescheitert. Als er mit seiner Partei in seiner ersten Amtszeit die Mehrheit in den Häusern hatte, ist er irgendwie nicht dazugekommen, sich um dergleichen Vorschläge zu kümmern, da stand ja auch noch eine Wiederwahl an.
Wenn ich mir das so ansehe, kann ich nur zu dem Schluß kommen: Lahme Enten sind die besseren Populisten. Es wird zwar nix mit Bildungsreform, Einwanderungsreform oder der Verschärfung der Waffengesetze. Aber es klingt gut…
* Das amerikanische Notensystem geht in fünf Schritten von der Bestnote A bis zu F wie “Failure”; “C+ entspricht ungefähr einer deutschen 2-.
** Förderale Bildungspolitik ist hier wie dort ein Stuß!