Carlos, „das schönste Toupet von Mexico“, fährt vor, um mich zum Wale gucken abzuholen und ich Glückskind habe den Bus und Carlos ganz für mich alleine. Auf dem Weg nach Cabo San Lucas erklärt er mir Flora (wenig und wenn, Kakteen, wg. Wüstenklima), Fauna (Schmetterlinge und Nagetiere), Weihnachtsbräuche (viel essen, vor allem Kuchen), die Welt (durcheinander) und den Papst (zu modern). Meine Engerlen wieder!
Dann fahren wir in der Partystadt ein („Soup of the Day? – More Tequilla“) und hier ist Ballermann und Happy Hour bis morgen früh, bumsfallera und viel zu viele leichtbekleidete Rothäute in Grellfarben und kurzen Hosen. Carlos schiebt mich an denen vorbei, organisiert, tut und macht und verabschiedet Boot Nr. 3 und mich winkend. Auf dem grellgelben Gummiboot sind die Sitze mittig in zwei Reihen nebeneinander angeordnet und die Passagiere steigen auf den ihnen zugewiesenen Platz auf und reiten auf den Wogen. Erst zum „Arch“, dann zu einem Felsen, der „Scooby Doo-Rock“ heißt, weil er so aussieht. Wir werfen einen Blick auf Land’s End, wo Pazifik und Mar de Cortez aufeinandertreffen und dann geht es hinaus auf die offene See. Alle sind gleichermaßen auf dem Ausguck, keiner hält sich an die „Wal auf soundsoviel Uhr“-Regel, sondern schreit bei der ersten Walsichtung nur „da, da, da“ und deutet in die Richtung. Das ist aber auch mal ein sehr freundlicher Wal! Erst ein bißchen Fontänen pusten und nachdem er alle Aufmerksamkeit sicher hat, schön aus dem Wasser springen und spektakulär wieder landen. Wir haben ein Riesenglück und sehen noch dreieinhalb mehr Wale, wovon einer gerade mal eine Wellenlänge* entfernt neben unserem Bootchen auftaucht. Sehr sehr sehr schön! Nach zweieinhalb Stunden teilweise heftigen Wellengangs weiß ich allerdings eines bestimmt: über meiner Wiege stand kein reitender Stern. Ganz und gar nicht! Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis sich meine O-Beine strecken und ich wieder normal gehen kann.
Carlos wartet schon: ich kann mich jetzt entweder ein Stündchen ohne Aufsicht hier herumtreiben und er holt woanders andere Leute ab, oder… Die andere Option wäre wahrscheinlich gewesen, gleich nach Hause und ins Bett oder so, aber auf die warte ich gar nicht erst. Gucken und vor allem Beine vertreten, das ist jetzt genau das Richtige.
Eine Stunde später. So, jetzt habe ich Wale geritten (so gut wie), eine Stadt besichtigt, nichts, nichts und nichts bei irgendeinem Straßenhändler gekauft; jetzt habe ich Hunger. Carlos bringt uns zu einem Fischrestaurant und dann sind wir beide etwas verblüfft. Ich, weil er wieder ins Auto steigt, um dort auf mich zu warten, er, weil ich ganz selbstverständlich davon ausgegangen bin, daß ich ihn zum Essen einlade. Wir können das aber ganz schnell klären und dann lehrt Carlos mich ordentlich Tacos essen**. Es ist eigentlich ganz einfach, wenn einem die Soße nicht vom Kinn rinnt und die Augen nicht tränen, taugt der Taco nix.
Als Carlos sich vor meiner Haustür verabschiedet, bricht es aus ihm heraus: nicht nur „prosperidad“ (Wohlstand) soll mir das Neue Jahr bringen, sondern „abundancia“ (Überfluß) und zwar „para siempre“ (für immer). Ein sarkastischer Amerikaner würde jetzt sagen: „There’s no such thing like a free lunch“. Ich finds trotzdem nett.
* 1 Wellenlänge im Wasser entspricht ca. 1 Steinwurf auf dem Festland – diese Maßeinheit habe ich heute erfunden und die gildet hiermit.
** Falls mal wer in der Gegend ist: http://www.tacosgardenias.com/