Gestern Abend im Volkstheater: “Was ihr wollt”

Ich glaube ja, der Arbeitstitel des Regie führenden Hausherrn Christian Stückl war sowas wie “Willie meets Barbie”. Very very pretty in Pink, das alles (Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier – Kostüm: Maria Faigle und Team, Maske (und Haareschön): Lisa Müller-Gahr und Team). Nina Hagen hätte sich vor Freude nicht mehr eingekriegt. Eine sehr großartige, lustige, schnelle, knatschbunte Ensembleleistung, voll Wort- und Sprachwitz (Buch, sehr frei nach William Shakespeare: Jens Roselt) und wer keine Lust auf zwei Stunden stillsitzen hat, der genieße mindestens das Plakat, das einen bildhübschen Pin-up-Boy mit sorgsam epilierten Sixpack sowie ausgesprochen haarigen Armen und erst recht Beinen zeigt. Vor rauschender Meeresbrandung mit sehr pinkem Flamingoschwimmreifen. Und gehe dann doch das Stück anschauen und freue sich dran.

Das Ende ist sehr schön. Und nein, ich verrate es nicht. Ätsch.

Es werde Licht

Hell. Morgens, wenn ich zur Arbeit fahre (jaha, ein bißchen später als sonst, aber trotzdem). Hell. Abends, wenn ich wieder heimfahre (zugegeben, ein bißchen früher als sonst, aber hey.)

Und gestern Abend im Theater wars mir zum ersten Mal seit Monaten, Mooonaten, sag ich, im dicken Strickpulli kurz ein bißchen zu warm (so lange, bis sie die neue Bloß-keine-Seuche-Lüftung voll aufdrehten).

Aus dem Dreiklang Glaube-Liebe-Hoffnung schien mir letztere immer das vernünftigste der Gefühle zu sein – ich hoffe jetzt also zügig auf ernstzunehmenden Frühling und den nächsten heißesten Sommer seit Beginn der Temperaturmessung.

Gelesen: Wolf Haas – „Eigentum“

Die alte Frau Haas stirbt. Und der Wolfi blickt auf ihr Leben zurück. Soweit, so richtig. Soweit, so falsch.

Denn das Buch ist viel mehr, ein richtiges kleines Juwel, Satz für Satz zu lesen und die Sprachkunst auszukosten. Von Hanser gewohnt liebevoll und sehr schön besorgt.

So, und jetzt los. Lesen! Lesen! Lesen!

Gestern Abend im Metropoltheater: “Post von Karlheinz”

In meinem Freundeskreis scheint sich etabliert zu haben, dass Geschenke Karten für Kulturveranstaltungen plus Begleitung des oder der Schenkenden sind. Ich finde das sehr fein und danke Frau S. aus D. für dieses, das in der Luxusvariante “Ich hole dich ab und bringe dich wieder heim” gereicht wurde.

Schee wars.

Im Metropol wurde in einer Inszenierung des Hausherrn Jochen Schölch eine szenische Lesung aus der inzwischen als Buch erschienen Sammlung der außerordentlich fremdenfeindlichen und hasserfüllten Zuschriften auf Facebook an den Journalisten (lange Zeit bei Spiegel Online) und Buchautoren Hasnain Kazim und dessen Antworten gezeigt. In Kazims Rolle der sehr passend als eloquenter Sprachkünstler mit einem großen Talent für Ironie besetzte Bijan Zamani, als “Richtige Deutsche” Thorsten Krohn, Thomas Schweiberer und Lucca Züchner.

Thomas Schweiberers Figuren haben es nicht mit der Interpunktion und überstrapazieren sie regelmäßig. Nicht ein, nicht zwei, nicht drei, nein, unter fünf, sechs, sieben Ausrufe- oder Fragezeichen machen es seine Schreiber nicht. Und Schweiberer liest sie mit seiner knarzigen Rühmannstimme alle, mit ausgesprochen aktiver Körpersprache, so dass es gegen Ende der Vorstellung reicht, wenn er nur wieder diese Hackbewegung mit den Armen macht. Krohn zeigt die dumm-stumpf gewalttätigen genauso gut wie die perfide-gebildeten aus dem gehobenen Bildungsbürgertum – einen Querschnitt der Gesellschaft. Lucca Züchners Frauen haben es anfangs etwas schwer, Kontur zu gewinnen, das kommt aber mit der Zeit.

Schölch setzt interessante und überraschende (und berührende) Akzente damit, dass er seine Schauspieler alte Volkslieder wie “In einem kühlen Grunde” vortragen läßt. Weil: das ist ja auch Deutschland.

Es macht dem ausverkauften Haus, uns auch, großen Spaß zu sehen und zu hören, wie die tumben Rechten da klug vorgeführt werden. Aber nachdem ich eine Nacht drüber geschlafen habe, frage ich mich, was das bringt. Die ändern sich nicht und wir fühlen uns gut. Reicht das? Und wenn nicht: was tun?

“Seien Sie das Rote Huhn! 🐔”

… schreibt mir heute eine Werbeagentur aus Cottbus und schickt dieses Bild mit:

Frage ich die Kollegin: “Was wollen die Leute von mir?”, antwortet sie: “Dass du das rote Huhn bist”.

Um mit dem großen Philosophen Häbbät G. zu sprechen: Wat soll dat?

In Szene setzen

Winterabend, knapp nach Einbruch der Dunkelheit. Am düstervernebelten Waldrand auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht ein Taxi. Die Außenbeleuchtung aus, die Innenbeleuchtung und das “Hallo-ich-bin-frei”-Schild an. Über dem Lenkrad kauert eine Person, Kapuze auf, Gesicht nicht erkennbar, Blick nach unten gerichtet. Die Kofferraumklappe steht auf.

Dann ist meine Ampel grün und ich fahre weiter. Aber bis ich zu Hause bin, habe ich mir mindestens drei sehr gruselige Geschichten ausgedacht, die mit dieser echten Szene anfangen.

Fiction follows Reality. Da schau her.