How does it feel?

“Und? Wie fühlt es sich an, wieder zurück in der Heimat?”, fragt mich ein amerikanischer Freund am Telefon. “Bist du schon angekommen?”

Hmmm. Gute Frage. Ich weiß es nicht so genau.

In den sieben Jahren meiner Abwesenheit hat sich hier viel Amerika breitgemacht. Der letzte Schrei in München sind Burgerbratereien, wo man sich sein Fleischpflanzl “customized” (mit diesem, ohne jenes oder auf dem / unter jenem) – ich erinnere mich, daß dieser Trend gerade ganz neu war, als ich in San Francisco ankam und sich bis heute gehalten hat, weil der gemeine amerikanische Foodie ißt wie ein mäkeliger Fünfjähriger. (Soße nur über die Fritten, die Erbsen rechts vom Fleisch, wenn sie links liegen, werden sie da liegengelassen und Tomaten nur in Würfeln, weil sie in Scheiben vollkommen ungenießbar sind usw.) Die Koffeinhaltige-Heißgetränke-in-Pappbechern-Herumtragen-Unsitte hat noch viel weiter um sich gegriffen, als es damals bei der Eröffnung der ersten Starbucks-Filialen möglich schien und Irgendwas-im-Rennen-auf-der-Straße-aus-der-Hand-zu-essen scheint inzwischen Bestandteil der hiesigen urbanen Eßkultur geworden zu sein. “To go”, “Take-out” und “Take away” (was übrigens nur der Brite als “zum Mitnehmen” versteht; dem Amerikaner bedeutet das sowas wie “Tu’s weg!”, zum Beispiel die eklige Spinne im Schlafzimmer). Ich bin da ganz “old school”, ich kann im Sitzen und in Ruhe essen und ziehe das außerdem vor.

Meine Lieblingserrungenschaft in der amerikanischen Gastronomie, also kostenlose und unbegrenzte Mengen Wassers zu jeder Mahlzeit, hat sich hier leider nicht durchgesetzt, nicht brauereifrei und schon gar nicht -gebunden. Ganz im Gegenteil: man bekommt, auf Nachfrage und wenn man vorher schon was anderes getrunken hat, eventuell und ohne Begeisterung auch mal ein Glas Leitungswasser hingestellt. Im kleinstmöglichen Behälter, häufig lauwarm und ganz sicher ohne “Refill”. Beim angesagten Veganer im Glockenbachviertel findet die Pläpperbrühe trotzdem ihren Weg auf die Rechnung. Als “Osmosewasser” und recht teuer. WTF?

Was ich sehr zu schätzen weiß (und dem amerikanischen Freund ein totales Graus war), ist, daß man hier selbst beim Arbeiten den Jahreszeiten ausgesetzt ist. Er saß bei 30°C+ Außentemperatur in einer gefütterten Jacke im Büro und hat geschlottert, ich habe selbst in leichtem Sommerkleid und Sandalen in meinem Münchener Büro geschwitzt. So what? Es ist (bzw. war) Sommer und da ist das normal und gut so. Ich nehme übrigens keine Beschwerden aus Kalifornien über die anhaltende Hitzewelle mehr an. Schickt einfach alles, was euch zu viel ist, zu mir! Winter is coming und ich kann jeden Sonnenstrahl gebrauchen.

“You see”, erkläre ich dem Freund, “für mich ist vieles hier in Deutschland halt einfach immer noch “normal”. Zum Beispiel muß ich mich nie wieder mit hirnrissigen Maßeinheiten herumschlagen. Nehmen wir nur einmal Unzen (ounces). Die unterschiedlich schwer wiegen, je nachdem, ob man Festes oder Flüssiges mißt. Oder Längenmaße. Bis dato habe ich noch an keiner deutschen Autobahn ein Schild gesehen, das einen darauf hinweist, daß die nächste Ausfahrt in dem Bruchteil X eines Kilometers (Halbdreiviertelfünftel oder so) zu erwarten sei. In den USA sind dergleichen Angaben gang und gäbe. Ich habe allerdings an einer deutschen Autobahn auch noch nie ein Billboard für irgendwas gesehen, diese Riesenschilder mit den teilweise doch sehr absurden Reklamen fehlen mir sehr, schon als flockblog-Material. Wenn ichs recht bedenke, nur deswegen.

“Und?”, will er wissen. “How about the food? Gorgeous, huh?” Klar, ey, Essen ist ein ganz großes Stück Heimat. Noch muß mich beim Lebensmitteleinkauf sehr einbremsen, weil es all die guten Dinge auch morgen noch geben wird. Und übermorgen. Und nächste Woche. Auch Trüffelleberwurscht und Pfisters Kürbiskernlaib. Morgen. Übermorgen. Nächste Woche. Auch Milch gibts wieder im Liter und auf Wunsch in Glasflaschen, nicht in Gallonen- oder Halbgallonenplastikcontainern. Diese Milch wird, selbst im Kühlschrank, nach guten zwei Wochen einfach sauer. Flockt aus, klumpt, riecht nach Joghurt. Es ist nicht so, daß amerikanische Milche nicht verdürbe, aber sie braucht dafür wesentlich länger und stinkt nach Eintritt des Todes nach Gammelfleisch und das fehlt mir jetzt so ü-ber-haupt nicht.

Auch schön: Hiesige Supermärkte schreien einen nicht an. Gut, man wird an der Kasse gefragt, ob man Herzen oder Punkte sammelt, aber das ist es dann auch. Kein “2 zum Preis von 1”, kein “Das noch dazu, wenn man dies kauft”, kein “Komm vor 12:00, kaufe fünf und bekomme dazu noch ein FREE GIFT!” Nein, man begnügt sich mit dem Angebot der Woche, wobei ich mir beim Lebensmittel einkaufen eh vorkomme wie im Schnäppchenparadies; Grundnahrungsmittel halbwegs ordentlicher Qualität sind im Vergleich zu den USA wesentlich günstiger. (Putzmittel übrigens auch.) Themen wie Recycling und Nachhaltigkeit werde ich gelegentlich einen eigenen blogpost widmen, das würde diesen Rahmen sprengen. In a nutshell: Deutschland ist Weltmeister.

“Es ist schon komisch”, sage ich. Wenn ich aktuell “Daheim” denke, dann ist das mein Häuschen in San Bruno, der Garten, mein Bett, meine Küche. Natürlich ist mir intellektuell klar, daß dieser “Heimaturlaub” nicht mit einer Rückreise in die Staaten enden wird. Trotzdem. Da scheinen Herz und Hirn noch Synchronisationsschwierigkeiten zu haben. Wird sich schon noch verwachsen, ich bin ja erst (heute auf den Tag genau) einen Monat hier.

“Aber weißt du”, frage ich den Freund, “was das Allerbeste ist und woran ich mich erst wieder gewöhnen muß?” Weiß er natürlich nicht. Kunststück. Aber er rät richtig: “You got way more friends down there, right?” Ja. Und die stelle ich dir alle vor, wenn du mich im nächsten Jahr besuchen kommst.

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