In Kalifornien hat die Arbeiterbewegung eine lange Tradition und eine ihrer zentralen Figuren war Cesar Chavez, der in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts gemeinsam mit Dolores Huerta die National Farm Workers Association gründete, um den so gut wie rechtlosen hispanischen Landarbeitern eine Stimme zu geben. Ihr größter gemeinsamer Erfolg war sicher der “Delano-Grape-Strike”, der sich unter dem Motto “Sí, se puede”* über fünf Jahre hinzog und zu einer deutlichen Verbesserung von Gesetzen und Lebensumständen führte. Menschenrechtsaktivist, Gewerkschafter, Arbeiterführer, Veganer, Katholik, Pazifist – es ist wenig überraschend, daß zu Zeiten weder seine Aktivitäten noch seine Person auf große Gegenliebe stießen. Heute ist sein Geburtstag, der 31. März, ein staatlicher Feiertag und zwar in Kalifornien, Colorado und (Überraschung!) Texas, wo sehr viele Straßen, Parks, Strände und Schulen inzwischen “Císar Tschäiveß” heißen.
Und warum erzähle ich von der alten Arbeiterbewegung? Weil es jetzt eine neue gibt. Zusammentun sich die, die den Techboom im Silicon Valley “facilitaten”**, in den Cafeterias Sandwiches bauen, Pommesfettschalen ausleeren, vegane Cronuts mit einem Hint of Sea Salt und Chiaseeds backen, Latten schäumen, Shuttlebusse fahren, putzen, Glühbirnen auswechseln, Unkraut jäten, die Amazon- und die Google Expresspackerl direkt an den Schreibtisch schleppen, Zeugs warten, auf Gebäude und Gelände aufpassen, Obstteller schnipseln, Wäsche waschen, bügeln und in ansprechenden nett verpackten Stapeln mit einem Duftzweigerl oben drauf dem Techbubi schrankfertig ins Loft liefern. Also alle die, die denen, die sich’s leisten können, das Leben schöner machen, sich aber das Leben hier in der Gegend mit dem was sie im Schweiße ihres Angesichts verdienen, nicht mehr leisten können.
Die Gründungsversammlung von “Silicon Valley Rising” fand in der traditionsreichen Kirche “Our Lady of Guadalupe” in San Jose statt. Und genau wie damals bei Cesar Chavez waren die Anwesenden im wesentlichen Latinos und Schwarze mit dem festen Willen, Grafiken wie diese unten nicht mehr länger hinzunehmen.
Es sieht aus, als zögen die ersten Tech-Giganten ein bißchen mit. Sie drohen ihren Zulieferern mit Kündigung, wenn sie Mitarbeiter nicht über dem Mindestlohn bezahlen und bestehen auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und vor allem erst mal überhaupt sozialversicherungspflichtiger Festanstellung. Das ist ein winziger Tropfen auf einem sehr heißen Stein und Dürre ist außerdem.
Die Schere klafft hier schon sehr weit auseinander und eine Handvoll Dollar und ein bißchen plakativ guter Wille reichen bei weitem nicht, um das Problem zu lösen. Bezahlbare Wohnungen müssen her, Krankenversicherung und Altersversorgung, familienfreundliche Arbeitszeiten bzw. vernünftige Kinderbetreuung, gute Schulen für alle, bezahlbares gesundes Essen usw. usf., der ganze Utopia-Katalog.
Bis Die da unten im Silicon Valley wirklich aufstehen, platzt eher die nächste Techblase.
* Bedeutet übersetzt “Yes, I Can!” und kommt uns allen nicht von ungefähr recht bekannt vor.
** Es gibt keine gescheite Übersetzung für das Verb “to facilitate”. Erleichtern, ermöglichen, fördern, unterstützen – das ist alles drin, aber eben noch mehr; sie leisten Dienste.