Don’t mess with Texas!

Der politisch eher außen am rechten Rand agierende Gouverneur von Texas, Greg Abbott, hat neulich ein Gesetz erlassen, wonach Texaner (wofern über 21 und im Besitz eines Waffenscheins) jederzeit in der Öffentlichkeit offen Schußwaffen mit sich führen dürfen (“open carry”). Nicht einfach so im Hosenbund, versteht sich, sondern in einem Holster, sie sind ja keine Wilden. Kommende Woche wird er ein weiteres Gesetz ratifizieren, das sogenannte “campus carry bill”, nach dem es ab August 2016 in Texas legal sein wird, auf dem Gelände einer Universität seine Schußwaffe verdeckt zu tragen (“concealed carry”). Wie man aus jedem Film über amerikanische Jugendliche weiß, gibt es auf einem amerikanischen Universitäts-Campus nicht nur Hörsäle, Seminarräume, Laboratorien und Bibliotheken, sondern auch Wohnheime, Sporteinrichtungen, mindestens ein Stadion, Kantinen, Verwaltungsgebäude und und und. Und überall auf dem Gelände ist zukünftig in Texas nicht mehr auszuschließen, daß das Gegenüber eine oder mehrere Feuerwaffen irgendwo versteckt am Mann oder an der Frau trägt. So wie das im übrigen schon seit längerem in Colorado, Idaho, Kansas, Mississippi, Oregon, Utah und Wisconsin der Brauch ist.

Der Kanzler der University of Texas, William McRaven, obwohl (oder weil?) Ex-Special Forces und einer von den Osama-bin-Laden-Ergreifern* hält das Gesetz zwar für schwachsinnig, sich aber auch an die alte Militärregel, daß nur so lange diskutiert wird, bis einer eine Entscheidung fällt. Dann wird umgesetzt. Einige Bedenken hat er aber immer noch:

  • Er fürchtet, daß die Anzahl von “self-inflicted injuries” stark ansteigen wird. Von mir aus. Soll sich doch jeder Verdecktträger ins Knie oder sonstwohin schießen – und selbst für die Kosten seiner Heilbehandlung aufkommen müssen. Zum Schutz vor der ebenfalls von Mr. McRaven erwarteten Zunahme von “accidental shootings” (wörtlich: versehentliche Schießereien) bleibt wahrscheinlich nur ganz kurz vorher ganz schnell wegrennen bzw. die gute alte “duck and cover”-Methode. Möglicherweise auch ein Stoßgebet.
  • Das Gesetz ist durchgekommen, weil es, im Gegensatz zu früheren ähnlichen Entwürfen, den Universitäten Spielraum in der Einrichtung sogenannter “gun-free zones” gibt. Mr. McRaven gibt der Hoffnung Ausdruck  daß alle texanischen Universitäten dieses Gebot für ihre Sportstätten aussprechen. Ich sehe vor meinem geistigen Auge allerdings schon die Schlagzeilen, wenn es unter den Zuschauern mehr Verletzte und wahrscheinlich Tote gegeben haben wird, als auf dem Spielfeld, wo die Gastmannschaft gerade die Heimmannschaft zu Hause vernichtend geschlagen hat. Aber hey, be a sport**.
  • Besonders fürchtet er schlechte Publicity und damit einen abschreckender Effekt auf potentielle Studienanfänger, die möglicherweise einen waffenfreien Campus vorziehen. Dann steigen die Studiengebühren und das schadet der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen.
  • Ach ja, Studiengebühren. Die steigen wegen des Gesetzes ohnehin, weil Versicherungsmathematiker das erhöhte Risiko gerade in immens steigende Versicherungsprämien umrechnen.

Die NRA ist im übrigen nicht ganz zufrieden. Einmal, weil an den Unis Waffen nicht stolz und offen getragen werden dürfen und zum anderen wegen der waffenfreien Zonen auf dem Gelände. Alles unter Vollabdeckung ist in deren Augen eine Niederlage.

Nur so am Rande: ausgerechnet am 1. August 2016 jährt sich der erste große amerikanische College-Massenmord zum 50. Mal. Und der wurde wo verübt? Ja, genau. An der University of Texas, von Charles Whitman, der von einem Turm herunter knapp 20 Menschen erschoß und über 30 verwundete. Aus der Geschichte zu lernen ist aber offensichtlich keine Option.

* Ich glaube, das Narrativ, bei diesem Einsatz dabeigewesen zu sein, hat inzwischen die Qualität von jeder Deutsche war im Widerstand und ganz Frankreich in der Résistance.

** “Be a sport” bedeutet übertragen “Sei kein Spielverderber” – sehr hübsch illustriert von Tom Paxton in diesem schon etwas älteren Lied: http://bit.ly/1G11lv5.

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