Neu im Kino: My Old Lady (UK, 2014)

Was kann schon schiefgehen, wenn man sich Maggie Smith, Kevin Kline und Kristin Scott Thomas für die Hauptrollen zusammencastet und in und um eine wunderbare Wohnung mit zwei Etagen, Garten, Wintergarten und Terasse in einem besseren Arrondissement von Paris miteinander spielen läßt?

Alles.

Und nun Spoiler.

Kevin, sein Rollenname ist Mathias Gold, aber ich werde ihn weiter Kevin nennen, weil Kevin viel besser zum Beschimpfen taugt; Kevin ist ein gescheiterter knapp sechzigjähriger Mann. Alle drei Ehen geschieden, Karriere nichts geworden, kein Geld, keine Ahnung, keine Meinung, kein Konzept. Und nun nach dem Tod seines Vaters auch noch Vollwaise. Aber immerhin mit einer frisch geerbten Wohnung in Paris. Und weil er Amerikaner ist, investiert er seine letzten Dollars in ein Flugticket, um in Paris (oder sonstwo, wenn die Wohnung verkauft ist) neu anzufangen. Ganz neu.

Wenn da nicht Madame Mathilde Girard wäre, die in der Wohnung lebt. Und vorhat, das bis zu ihrem Tode zu tun, denn sie ist “viagère” und als solche erwartet sie von Kevin, dem Wohnungseigentümer, monatliche Unterhaltszahlungen. Ein rechter Clash of Cultures, wenn ein Amerikaner auf das seiner Mentalität vollkommen unverständliche Konzept einer Erbpacht stößt: das Ding gehört mir, und ich bezahle jemandem, den ich gar nicht kenne, dafür, daß er/sie mein Eigentum nutzt und mir ein Zimmer in MEINER Wohnung zur Untermiete (!) anbietet?

Aber das war nur der Anfang. Madame wohnt dort nicht alleine, sondern mit ihrer Tochter und Kevin und Kristin sind vom ersten Moment an schlimmer als Hund und Katz’! Später, als sie herausfinden, daß sie die einzigen in dieser Geschichte vorkommenden im Alter passenden Menschen unterschiedlichen Geschlechts und – per Gentest von der verständnisvollen Hausärztin bestätigt – keine Geschwister sind, werden sie natürlich ein Liebespaar. Klar. Aber ich greife vor – Schnelldurchlauf ist nicht, da müssen wir jetzt gemeinsam durch.

Bevor das Glück ihn findet, muß Kevin noch lange durch die Straßen von Paris streifen und schlitzohrige Pariser treffen, die alle gerne mit ihm Englisch sprechen. Doch, so ist er, der Franzose! Weniger Baguette, Baskenmütze und gestreifte Hemden als früher, doch selbst die kleine Gamine, die ihn ausraubt, als er vom Weine (!) trunken (!) am Ufer der Seine (!) ein Nickerchen macht, steckt ihm im Austausch für Brieftasche und Mobiltelefon immerhin eine rote Rose zu. Ah, Paris!

Wir erfahren, daß Kevins Vater Kevins Mutter betrogen hat. Ein Leben lang. Und mit wem? Naaaa? Mit Madame Mathilde. Und diese Pariserin findet gar nichts dabei. War doch ein glänzendes Arrangement, sie mit gutsituiertem Großwildjäger-Mann und Tochter auf dem einen Kontinent, er mit Hausfrau-Frau und Sohn auf dem anderen und zwischendrin immer mal ein Schäferstündchen. Tut doch keinem weh. Außer natürlich, daß Kevins Mutter sich deswegen erschossen hat, Kevin deswegen traumatisiert (und eine gescheiterte Existenz) ist und Tochter Kristin sich das so zu Herzen nimmt, daß sie gleich ihr Verhältnis mit einem verheirateten Familienvater abbricht und außerdem ihren Beruf aufgibt. Nun steht sie voll und ganz für Kevin zur Verfügung und das gildet auch als Happy End fürs amerikanische Publikum, da ein schriftlicher Nachweis erbracht wurde, daß kein Inzest vorliegt. Madame lächelt dazu milde aus dem Wintergarten. Ist doch alles gut ausgegangen…

Meine Fresse! Wieviel Klischee man in einen einzigen Film packen kann, un-glaub-lich. Ach ja, eins noch. Am Ufer der Seine übt immer, wenn Kevin da langgeht, auf der anderen Seite eine Opernsängerin ihre Arien. Grad, als er vom Arzt kommt und Kristin nun legal zu der Seinen machen kann, singt sie Mozart und Kevin fällt – in fließendem Italienisch – in “Reich mir die Hand, mein Leben” ein. Sowas von Dampfhammersymbolik gehört verbottttennn!

Platt! Platt! Platt! Gute Schauspieler und meine Zeit vergeudet!

 

PS: Mir ging während des Schreibens ununterbrochen der Refraim “Je suis été à Pariiihhh” im Kopf herum. Das ist, glaube ich, aus einem Gedicht von Kurt Tucholsky; werd’s nachtragen, sobald ich es gefunden habe.

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