Nachlese

Frau macht sich ja Gedanken, wenn sie lange nicht mehr alleine auf Reisen war – der erste: kann ich das überhaupt noch? Antwort: klar, das ist wie Rad fahren, das verlernt sich nicht. Und Spaß macht es auch. Wohlgemerkt: Spaß – nicht Fun! Wahrscheinlich wegen ungewohnt habe ich dieses Mal unwillkürlich oft verglichen: Was ist anders?

Die Abende sind viel länger. Zu zweit kommt man von irgendeiner Aktivität zurück, duscht, ruht und zieht wieder los, zum Abendessen. Jede andere Mahlzeit in den Ferien nehme ich gerne aushäusig ein, aber abends mag ich nicht alleine an einem Einzeltisch sitzen und frischgeduschten anderen Touristen beim Tagnacherzählen zusehen. (Noch weniger will ich zwangseingemeindet und -vergesellschaftet werden, darum sind All-Inclusive-Gruppen-Fun-Angebote gar nichts für mich.) Auch der Alkoholkonsum ist wesentlich geringer. Eigentlich aus dem gleichen Grund: tagsüber kann und will ich nichts anderes trinken, als Wasser oder gelegentlich was Frischgepreßtes; abends alleine vor einem Kübel Happy-Hour-Magarita zu sitzen ist nicht meins. Als „Bar Fly“ auf dem Lehrplan stand, war ich wohl gerade beim Kreide holen oder hatte die Nase tief in einem Buch.

Apropos Buch: Alleinreisezeit ist Lesezeit. Es fehlt allerdings der Moment, wo man sich an einer Formulierung so sehr erfreut, daß man seine/n Reisepartner/in mit den Worten „Ich MUSS dir das vorlesen“ aus der eigenen Lektüre reißt. Ich habe nur englisch gelesen, soviel, daß selbst des Nachts die Träume auf einmal auf auswärts daherkamen.

Alleine reisen trainiert den Instinkt – ist der Mensch, der mir gerade den Weg weist oder Essen, Unterstützung oder einen Transport von hier nach da anbietet mir wohlgesinnt, oder will er mir mein Geld nehmen oder meine Tugend? Ich habe in den vielen Jahren nie erlebt, daß einer richtig übel war. Zu mir sind Menschen meist freundlich und hilfsbereit; ich hatte eher das Gefühl, privilegiert zu sein – quasi: „Die ist allein, auf die passen wir besonders gut auf.“

Der Idealzustand beim Zuzweitreisen ist die organische Rollenverteilung ohne sich lang abzusprechen. Einer kann gut mit Menschen und übernimmt Verhandlungen, der andere hat den besseren Orientierungssinn und macht die Routenplanung (ja, ich spreche aus Erfahrung, warum?),  keinem machts Mühe, beide haben was davon. Aber nix is fix, mal treibt der eine, mal der andere, und weil jeder jeden läßt, trabt man halt auch mal wohin mit, wohin man alleine nicht gegangen wäre und schon wird einem der Horizont weiter. Alleine ist das ganz anders: Man kann tun, was man will. Die ganze Zeit. Man kann lassen, was man will. Die ganze Zeit. Keiner hat andere Ideen und Vorschläge, keiner geht einem auf den Senkel, weil er JETZT Hunger hat…  (Nein, ich nenne keine Namen. Aber auch nur, weil ich weiß, daß ich in dem Zustand mindestens genauso schlimm bin.) Keiner freut sich mit. Keiner ärgert sich mit. Keiner weist einen auf lustige Apothekenschilder hin, keiner findet es auch absurd, daß der andere schon wieder an irgendeinem gottverlassenen Ort Geld findet. Alles muß man selbst machen: Der Alleinreisende ist auf sein lumpiges Paar Augen und Ohren gestellt, mehr sieht und hört er nicht. Weil aber der Mensch ein soziales Tier ist, werden die Blogposts länger.

Genug nachgedacht. Ich kanns noch und schön wars, und falls wer Lust hat, nehme ich ihn/sie das nächste Mal mit.

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *

nine + eight =