Mikrokosmos

Weil ich beim Mittagessen gerade den Äquivalenzbetrag für ein Mal Brauenschön gespart habe und der Salon einen Steinwurf vom Lunch-Japaner entfernt liegt, springe ich auf einen Zupf bei meinen vietnamesischen Schönheitsspezialistinnen rein. Vor dem Salon ein Wäscheständer voller Scheuerlappen, drinnen drei feudelnde Damen – denen scheint es am Donnerstag ziemlich naß reingegangen zu sein. Eine ist schneller von Begriff als ihre Kolleginnen und pellt die Gummihandschuhe von den zarten Händchen, sobald sie mich an der Tür sieht. Lieber Wachsen und Zupfen als weiter Wischen und Wringen. Ich genieße noch für einen Moment die Aussicht auf den trockenen Camino Real, das liebevoll gestaltete “Get-your-Jingle-Glock”-Banner vom Waffenladen nebenan und das Leuchtschild des Drugstores gegenüber. Ein “Beer and Wine Sale” wird beworben und “20 Jingle Dollars” obendrauf pro halbem Dutzend Weinflaschen.

Während sie zupft, bürstelt und schneidet, denke ich mir eine Geschichte aus. Vom Redneck, der kistenweise Wein heimschleppen und sich die Hucke vollsaufen muß, bis er endlich genug Jingle Dollars für die Jingle Glock zusammenhat, damit er im Frühjahr zum Amoklaufen gehen kann. “Plagiat!” höre ich aufmerksame Leser rufen. Stimmt, solche Geschichten schreibt hier das Leben zu Hauf. Bis auf die wunderbare Währungsumwandlung – die ist von mir.

Aufgehübscht mache ich noch einen Abstecher in den Heilsarmeeladen drei Häuser weiter und da ist sie nun, die richtige Weihnachtsgeschichte, die ganz ohne bösartige Phantasien und Active Shooter auskommt. Die Hauptperson ist ein Hunderl, das im wesentlichen aus Riesenohren und Großglupschaugen zusammengesetzt ist. Sein “Daddy” hatte ihm gleich zwei Geweihe aufgesetzt, eines in Karo, eines in Elch, dazu einen roten Pullover mit weißen Bordüren, ein grünes Mäntelchen und ein Halsband mit Glöckchen dran. Der ganze Laden überschlägt sich in Kieksstimmenkomplimenten. “Doggie, doggie, doggie!” und Herrchen setzt die Töle zum Bewundertwerden in einem Einkaufswagen ab. Denke ich. Da habe ich mich aber getäuscht. Während nämlich das Hunderl vollgesülzt wird – “Doggie, doggie, doggie!” – und abgelenkt ist, kauft sein Daddy die Weihnachtsgeschenke für Fifi. Einen Stoffhund, größer als der Lebende, Spielzeug und einen Holiday-Napf mit Spieluhr und Blinkelicht.

Mit dieser zu Herzen gehenden Geschichte beschließe ich den Vorabend des dritten Advent und gehe mir nun einen Film mit ordentlich Gewalt anschauen. Zu viel süß ist ungesund.

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