Ich habe den Auftrag bekommen, fĂŒr unser Unternehmen einen “Code of Conduct” (Verhaltenskodex) zu entwerfen. Kodizes sind wie RĂ€der: schon erfunden. Das schreit geradezu nach Internetrecherche und von anderen abschreiben. Ich muĂ noch nicht einmal in die Ferne schweifen, sondern fange in der Nachbarschaft an: wie soll sich denn der gute Googler gebaren? Brav soll er sein, und nicht böse. âDonât be evil.â Super! Das hilft vielleicht! GemeinplĂ€tze aneinanderreihen, mit einer Prise 10 Gebote abschmecken und den Wauwau nicht vergessen: “Dog Policy – Googleâs affection for our canine friends is an integral facet of our corporate culture. We like cats, but weâre a dog company, so as a general rule we feel cats visiting our offices would be fairly stressed out.” Nope, das ist nix fĂŒr uns.
Der nĂ€chste “Code of Ethics” kommt gleich zur Sache: “Under no circumstances should anyone bring a weapon to work.” Gut, einverstanden. Könnte man ausbauen; wenn auch keiner mehr seine Waffe zu Hause und sonst wo mit sich fĂŒhren darf, dann sind wir sooooo knapp vor Weltfrieden. Ja, Waffenverbot nehme ich auf. Danke, anonymer Beispielautor.
Ich glaube, den Antidiskrimierungsabsatz hier nehme ich auch “We strictly prohibit unlawful discrimination or harassment of any kind, including discrimination or harassment on the basis of race, color, religion, veteran status, national origin, ancestry, pregnancy status, sex, gender identity or expression, age, marital status, mental or physical disability, medical condition, sexual orientation or any other characteristics protected by law.” Man sehe sich neben dieser phantasievollen AufzĂ€hlung von DiskriminierungsanlĂ€ssen nur mal die vergleichsweise armselige Liste der MĂŒtter und VĂ€ter des Grundgesetzes an. “Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.”
Wen es wundert, daĂ in der amerikanischen Antidiskriminierungsliste schwangere Frauen auftauchen, der kann wahrscheinlich den Begriff “Mutterschutzgesetz” akzentfrei aussprechen. In den USA ist dem Gesetzgeber die besondere SchutzbedĂŒrftigkeit schwangerer Frauen erst 1978 aufgefallen. Vorher war es so, daĂ wer nicht arbeitet halt auch kein Geld bekommt und wem dicker Bauch und dicke FĂŒĂe UmstĂ€nde machten, schauen muĂte, wo sie bleibt. Noch 1974 hatte der Oberste Gerichtshof im Fall Geduldig gegen Aiello geurteilt, daĂ es sich bei der Benachteiligungen von Schwangeren nicht um Diskriminierung wegen des Geschlechts handelt, da der Terminus “nonpregnant persons” schlieĂlich beide Geschlechter einschlieĂe, Frauen wie MĂ€nner (und inzwischen wahrscheinlich auch alle anderen). 1976, im Fall General Electric Co. gegen Gilbert war der Richterspruch noch eindeutiger: selber Schuld. Wenn eine schwanger wird, dann freiwillig und weil sie es doch auch will; âpregnancy is often a voluntarily undertaken and desired conditionâ. Da kann dem Arbeitgeber wirklich nicht zugemutet werden, daĂ er die “disability” VergĂŒnstigungen, die sein Unternehmen eingefĂŒhrt hat – möglicherweise auf Druck des Gesetzgebers, der die Sorge fĂŒr seine Kriegsveteranen gerne an die freie Wirtschaft delegiert – mit der GieĂkanne auf dumme Weiber verteilt, die sich einen Braten in die Röhre haben schieben lassen.
Da geht einem doch der Marx durch!
Es wird auch nicht besser, wenn ich dann in einem anderen Beispiel lese, ich möge doch die Titelseite meiner Heimatzeitung vor Augen haben, wenn eine ethische Entscheidung ansteht, ganz nach dem Motto “Was sollen denn die Leute denken?” “When you face an ethical dilemma, I hope you will use the âfront pageâ test. If you would not want your children and parents to see an article on the front page of your hometown newspaper describing an action you took or failed to take, let that be your guide. We can all sleep better at night knowing that we all act ethically during the day.”Â
FĂŒr heute muĂ ich aufhören. Wenn ich noch mehr Heuchelschwulst in mein Hirn lasse, wars das nĂ€mlich mit m e i n e r  Nachtruhe!