Gelesen: Tawni O’Dell – “Angels Burning”

Neulich hatte ich noch behauptet, dass ich eigentlich keine Krimis mehr lese. Höchstens noch, wenn sie in einen historischen Kontext eingebettet sind, damit man wenigstens was lernt. Aber was geht mich mein saudummes Geschwätz von neulich an?

Und irgendwie kommt man bei Kriminalromanen, zumindest bei guten, eh nie an Soziologie und Milieustudien vorbei. Deswegen weiß ich jetzt viel über den White Trash in den leergeminten Kohlestädten des ländlichen Pennsylvania. Und über das Frauenbild von Tawni O’Dell. Sie schreibt gut und flüssig und sauspannend und findet ganz neue Metaphern; daran kann man Freude haben. Allerdings bleiben ihre Figuren recht pappkameradig und entwickeln tun sie sich gar nicht, während der Ermittlungen des weiblichen Kleinstadt-Chief-of-Police. Das Opfer ist eine Siebzehnjährige, halb verbrannt in einem dieser verlassenen elenden Löcher, die der lange Bergraubbau mitten in die Stadt gerissen hat, damals, als die Bewohner die Viertel noch nicht verlassen hatten.

Ms. O’Dell kommt mit einigen überraschenden Wendungen daher. Alle unerwartet, aber plausibel. Hübsch. Aber gerade beim Opfer und beim Mordmotiv scheint sie ein wenig den Spaß verloren zu haben. Geht nicht ganz auf. Man kanns aber trotzdem lesen, die Spannung überwiegt und bloß weil ich gerade wieder die Goldwaage auspacke, müssen es andere ja nicht auch tun.

Es gibt wohl schon eine deutsche Übersetzung “Wenn Engel brennen”, deren Qualität ich nicht kenne. Ich erwähne den Umstand hauptsächlich deshalb, weil die Übersetzerin Daisy Dunkel heißt und vor meinem geistigen Auge sofort eine Figur aus Entenhausen mit Brille mit einer dunklen runden Fassung sowie einem dicken güldenen Füllfederhalter im Gummiband des linierten grünen Moleskin-Notizbuchs, getragen unterm rechten Flügel, erschienen ist.

PS: Wer die Originalfassung möchte, kann sie gerne bei mir entleihen.

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