Konzert in der Wolfsmühle: Gnadenkapelle

“Wie? Rausgehen? Jetzt?” Innerer ist entsetzt. Er hatte sich, wie jeder ordentliche Schweinehund, auf einen Abend auf dem Sofa eingerichtet, das Ignorieren von Wetter inbegriffen und sieht mir fassungslos beim Schuhe zubinden zu. “Hast du mal aus dem Fenster gesehen? Es gießt wie aus Eimern. Wie aus Kübeln. Rie-si-gen Eimerkübeln. Da schickt man doch noch nicht mal einen Hund vor die Tür. Wir haben hier doch alles, was wir brauchen, Mensch. Kuscheldecke, Wollsocken, Buch, Tee. Und dann willst du halbert nachtblind im Dunkeln und, falls du vorhin nicht zugehört hast, im strömenden Regen wo hinfahren, wo wir noch nie waren. Und das Navi kaputt. Wir werden ganz sicher vom Weg abkommen und elendiglich in der Pampa stranden und Unfall, Tod, Verderben. Außerdem, Live-Musik ist total überschätzt.”

Vor lauter Schimpfen bekommt Innerer kaum mit, dass wir schon aus der Tiefgarage fahren und schreckt auch erst hoch, als uns da einer mit hochaufspritzenden Wasserfontänen böse schneidet. Das ist Wasser auf seinen Mühlen (hihi, Wortspiel). “Da!”, triumphiert er, “ich habs ja gleich gesagt. Unfall, Tod, Verderben. Und die Patientenverfügung ist auch nicht ausgefüllt.” Ich würde so gerne auch mal zu Wort kommen und Innerer erklären, dass ich auf der Karte nachgesehen habe und die Strecke kindereinfach ist. Nur die A94 finden (kann ich, mach ich öfter), dort die richtige Auffahrt nicht verpassen und dann sind es grad mal noch 500m. Das schaffe selbst ich, Kreisvorsitzende der ODP* München Süd. Und ja, das Wetter ist greislich und die Scheibenwischer laufen auf höchster Stufe, aber dagegen gibt es das Zaubermittel “angepaßte Geschwindigkeit” – und da zieht es mir die Reifen weg. Aquaplaning. Huiuiui! Das hatte ich tatsächlich schon länger nicht mehr. Innerer hat Recht und seinen Spaß. “Habs gleich gesagt! Habs gleich gesagt!” singsangt er fröhlich vor sich hin. Ich schwimme derweil über den Mittleren Ring und frage mich, ob das mit dem in tiefdunkler Starkregennacht aufs Land zu fahren wirklich eine so gute Idee war. Würde ich aber nie zugeben. Schon gar nicht Innerer gegenüber. Ist auch gut so. Der Regen wird schwächer und auf der Höhe von Daglfing blitzt ein dramatischer Macbeth-Vollmond aus den Wolken. Jetzt nicht ablenken lassen. Einfach weiterfahren.

Innerer schmollt. Ist aber egal, er hält dabei die Klappe. Jetzt ist alles gut und wird immer besser. Zeitgleich mit meiner aus der anderen Richtung anreisenden Freundin parken wir unsere Autos nebeneinander, gehen gemeinsam zur wunderschönen Wolfsmühle (https://www.wolfmuehle.de/), wo draußen in großen Feuerschalen Holzfeuer lodern und drinnen gut geheizt ist. (Merken sie uns trotzdem mehr so für einen Ausflug im Sommer vor. Ohne Feuerschalen. Dafür mit Sonne.)  Dann ist Konzert und das ist sensationell (ich hab aber auch ein Saudusel mit meinen Künstlerfreunden!) und selbst Innerer revidiert sein Urteil, findet Live-Musik auf einmal “total klasse”, teilt ungefragt seine Lieblingslieder mit (“Noglnei” und “Auf ewig bis ma stirbt” – “Unterm Rosenstock” sowieso, aber das ist außer Konkurrenz) und hampelt im Takt auf dem Stuhl herum. Recht vielen Dank, oh Gnadenkapelle, für den schönen Abend!

Heimweg. Kein Niederschlag mehr, nirgends. Der große bleiche Vollmond schwimmt am Wolkenhimmel und spiegelt sich eitel in allen Pfützen und so schnell kannst du gar nicht schauen, wie wir wieder daheim sind. Innerer hat gemerkt, dass er nicht aus Zucker ist und verspricht, zukünftig nicht mehr gar so wuislert zu sein. Ja dann. Dann gehen wir demnächst mal bei Neuschnee spazieren, oder?

* ODP steht für “Orientationally Disabled Person” und wurde mir mal als Ehrentitel (bestimmt) verliehen.

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