Wenn mich irgendwann mal wer fragt, was ich am 5. Juli 2015 um 10:00 Uhr früh gemacht habe, dann werde ich antworten, daß ich an diesem heißen trägen Sommertag länger im Bett geblieben bin und “Natchez Burning” verschlungen habe. Wenn dann nach meinem Alibi für die Zeit zwischen Mittag und gegen 18:00 Uhr gefragt wird, war ich im Garten und habe dort “Natchez Burning” verschlungen. Für die Zeit danach gilt dasselbe, allerdings auf dem Sofa. Um 2:oo Uhr früh heute morgen war ich mit dem Buch durch und bin schlafen (und wirr träumen) gegangen.
In seinem wortgewaltigen Thriller beschreibt Iles, wie die Sünden der Väter mit geradezu biblischer Wucht die nachfolgenden Generationen heimsuchen. In schnellen Perspektiv- und Erzählerwechseln zeichnet er ein beklemmendes Bild des “Deep South”, in dem das Städtchen Natchez, zu Zeiten der größte Sklavenmarkt, exemplarisch dafür steht, wie die Flammen der KuKluxKlan-Kreuze bis in die heutige Zeit züngeln.
Obzwar er betont, daß es sich um ein fiktionales Werk handelt, ist Iles nahe an der Realität; das Massaker bei der Bibelstunde in Charleston ist gerade mal gute zwei Wochen her und die nachfolgende Diskussion um das Abnehmen der Konförderiertenflagge hat deutlich gezeigt, wie tief der Aberglaube von der Überlegenheit der Weißen Rasse (“white supremacy”) noch in vielen Köpfen verankert ist.
Für meinen Geschmack war’s ein bißchen zu viel männerbündelnde Veteranentreue, Semper Fi, “oo-rah!”, Texas Ranger und Korea, Vietnam, Afghanistan, aber vielleicht ist das auch Wirklichkeit, und ich verstehe nur nichts davon.
Wer keine Zeit hat, 800 Seiten zu lesen und es nicht eilig hat: das Buch zum Film (eine Amazon-Serie, produziert von Tobey Maguire) ist schon in Vorbereitung. Vielleicht erfährt man dann auch das Schicksal der Figuren, zu denen Iles irgendwann nichts mehr eingefallen ist – da hat das Lektorat geschlampt.
Ansonsten: Lesen! Lesen!