Anger Management

Ich habe den ganzen Vormittag mit Rohrfrei, Verwaltungszeug und Reiseplanung zugebracht, will ich mich jetzt wirklich fĂŒr das bißchen Restwochenende schon im Voraus ĂŒber die DMV-Deppen Ă€rgern? Nein, will ich nicht. Hinein ins Auto, und ab in die Provence.*

Tief einatmen. Ausatmen. Kaffee holen und auf den Steg. Unter mir liegt der pazifische Ozean in Smaragdsilberglitter. Über mir, am SchĂ€fchenwölkchenhimmel stehen regunglos Möwen. Ein LĂŒftchen fĂ€chelt lau, Fischer dösen in ihren KlappstĂŒhlen und lassen sich von zuckenden Angeln nicht stören. Ihre dicken Kinder sind noch zu jung fĂŒr MĂŒĂŸiggang; ihnen ist langweilig und sie bewerfen zum Zeitvertreib Tauben mit ChipskrĂŒmeln, doch die Vögel sind heute viel zu faul, um sich nach den Krumen zu bĂŒcken, sie nehmen nur, was ihnen direkt in die offenen SchnĂ€bel fĂ€llt. Am kurzen L-Ende der Pier, wo sich sonst Crabber und Angler um die besten PlĂ€tze drĂ€ngen, ist es menschenleer. Mein Kaffee, meine Zigarette und ich haben ein BĂ€nkchen ganz fĂŒr uns alleine und schauen den Wellen zu, wie sie mĂŒde an den Strand rollen. Am Horizont kriecht ein Containerschiff vorbei, das LĂŒftchen hat inzwischen den Betrieb ganz eingestellt und die Möwen schaukeln nun sanft auf dem Wasser. Auf dem GelĂ€nder turtelt ein einsilbiges TaubenpĂ€rchen “Gu?” “Gu.”, es ist kein Tag fĂŒr GeschwĂ€tzigkeit. Keiner bewegt sich schneller als im Schlenderschritt und selbst die einzige Steg-auf-und-ab-Joggerin ist in einen milden Trab gefallen, so leicht, daß man ihre gummibesohlten Tritte nicht mehr hören kann. Hach!

Ich schlendere zurĂŒck, zum Treppelchen ganz nah am Wasser und lese Schilder, die aus einer anderen Welt zu kommen scheinen. “Achtung! Springfluten!” und “Vorsicht! Untiefen!”. Ach was, schaut ihn euch doch an, den Pazifik. Das ist ein ganz lieber, der will nur spielen. In den trĂ€gen Wellen wiegen sich goldene Quallen zur Wassermusik in einem schwerelosen Ballett. Die Primaballerina besucht mich auf meiner Stufe, lĂ€chelt huldvoll ĂŒber meine nassen HosensĂ€ume und lĂ€ĂŸt sich von der nĂ€chsten dicken Welle wieder zu ihrer Compagnie tragen. Der DJ in meinem Hirn hat “Summertime” aufgelegt, auf “repeat” gedrĂŒckt und ist dann nach Hause gegangen; die Welt ist schwer, trĂ€ge, satt und unendlich friedlich.

Wenn ich von hier weggehe, möchte ich diese Erinnerung auf Flaschen ziehen und manchmal, an kalten grauen Regentagen, eine davon öffnen. Ich gebe auch ab.

 081

 

090

* Funktioniert nicht immer, das mit dem Franglisieren.

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