Samstags, keine 10 Uhr früh und ich habe schon Äpfel geerntet und geschnipselt, die erste Ladung Wäsche aufgehängt, die zweite am Laufen, Teig gerührt, zwei Kuchen im Ofen und während ich am Elterntelefon arbeite, wartet nebenan das Geschirr. Warum die Hektik? Unsere Trainerin Desha hat nächste Woche Geburtstag und man glaubt hierzulande nicht an die bösen Konsequenzen verfrühter Glückwünsche, sondern schmeißt vielmehr eine “Surprise Pre-Party”.
Mein Beitrag ist das Dessert: “Dr. Oetkers Apfelkuchen, sehr fein”. Der ist der Renner und seit die Apfelbäume so reich tragen, backe ich fast jedes Wochenende mindestens einen, meistens aber zwei, weil außer den Kollegen auch die Nachbarn zum Fanclub gehören. Kontempliere ganz kurz, ob ich als Dealer vielleicht ein erfolgreiches Geschäft aufgezogen hätte, wo Anfixen so offensichtlich zu meinen Talenten gehört? Quatsch, mit sowas macht man keine Witze. Pfui, Sabine! Zurück zum Thema.
Unsere Desha surft schon von Berufs wegen hoch auf jeder Esoterikwelle mit und zur Zeit ist sie auf einer “Cleansing Diet”. Im Vergleich zu den Regeln, nach denen sie gerade ißt, ist Hardcore-Veganismus sündigste Völlerei. Die Zutaten zu ihrem Geburtstagskuchen lesen sich aber auch wie die “Evil Food”-Liste (böses Essen, sehr sehr böses). Weißes Mehl, weißer Zucker, Eier, Milch, eine Prise Zimt; vor allem Zimt, Zimt werden besonders üble Eigenschaften nachgesagt. Was tun, damit das “Birthday Girl” nicht sabbernd dabeisitzen muß, während die anderen reinhauen?
Ganz einfach. Man nehme: große Äpfel, halbiere sie, entferne großzügig das Kerngehäuse und füllen den so entstandenen Hohlraum mit gehackten Datteln, Rosinen, Korinthen und Orangen incl. Schale (“organic”, versteht sich) und einem Tröpfchen Honig von lizensierten Bienen, setze die Hälften wieder zusammen, wickle sie in Alufolie und wupps gart ein halbes Dutzend Bratäpfel mit den Kuchen im Ofen. Alles noch schön heiß in den großen Picknickkorb gepackt, ein Stündchen mit den anderen Dicken Damen wassergespratzelt und dann “Partey!”*, sogar “Pool Partey”, was im hiesigen Sprech nichts anderes bedeutet, als daß man halt am Schwimmbecken sitzt, um zu essen und zu trinken. Ins Wasser gehen ist nicht zwingend vorgesehen. Jan, die Gastgeberin, hatte Sushi und Sashimi von “guten” Fischen besorgt, denn auch im maritimen Umfeld gibt es Schurken. Das sind, gemäß “Cleansing Diet”-Regularium, Fische mit der “falschen” Farbe – was habe ich mir auf die Zunge gebissen, um nicht eine Rassismusdiskussion anzuzetteln, frau weiß schließlich, was sich gehört. Dazu gab es Quellwasser, weil Alkohol nicht etwa aus Teufels Küche kommt, sondern von noch weiter unten. Alles recht, ich bin hier nur zu Gast und ein paar Zahnabdrücke auf der Zunge heilen bestimmt schnell. Wirklich rührend war Neuzugang Arlene, 80, die exakt die Hälfte ihres Kuchenstückes auf dem Teller zurückließ. Ich vermutete eine Art FdH-Diät, es war aber ganz anders. Errötend (doch, echt!) erzählt sie, daß ihr Boyfriend Al letzte Woche bei ihr eingezogen sei und sie das für ihn aufspare, um ihm eine Freude zu machen. Al habe so einen “Sweet Tooth” (“süßer Zahn” = Naschkatze). Wunderbar. Wir haben einen Resteverwerter! Pack einfach alles ein, worauf keine andere Anspruch erhebt, Arlene, außer den Bratäpfeln, die gehören Desha, dem Hungerhaken.
Arlene happy, Al happy and nothing gone to waste.
* Von der aktuellen Mode, alles zu franglisieren hatte ich neulich schon berichtet, s. https://flockblog.de/?p=23873