Modern Times

Schon immer gehörte es in amerikanischen Haushalten zu den ungeliebten Aufgaben des für die Finanzen verantwortlichen Familienmitgliedes, sich regelmäßig zum Zwecke der Bezahlung grummelnd mit Rechnungen und Scheckheft zurückzuziehen. Also Scheck ausfüllen und unterschreiben, Empfänger, Betrag, Datum im Register eintragen, Scheck kuvertieren, adressieren, auf der Post für neue Briefmarken anstehen und endlich abschicken. Als Lyn mich neulich sonntags inmitten eines Papierstapels antraf, hatte sie denn auch jedes Verständnis, daß ich bei “to pay the bills” nicht gestört werden will und mir war jede Ausrede recht, auch wenn es sich um ein Mißverständnis handelte. In den ersten Monaten hier habe ich immer um den 25. rum meinen Mietscheck an den “Landlord” geschickt, immer in der Hoffnung, daß ein Brief von Nord- nach Südkalifornien nicht länger als eine Woche unterwegs ist und pünktlich bei ihm ankommt.

Irgendwann war mir das aber doch zu bunt und man denkt ja auch nicht immer dran oder ist mal unterwegs und ich habe bei der Bank nachgefragt, was ich denn tun müsse, um einen Dauerauftrag einzurichten. Helles Entsetzen! Dauerauftrag? Von einem privaten Bankkunden zum anderen? Haben wir nicht, kriegen wir auch nicht rein. Eine Lösung gab es schließlich doch, sie war im amerikanisch-finanzantiquarischen Denken auch die einzig logische: ich richte – online (whooohooo!) – meinen Vermieter als sogenannten “Payee” (Zahlungsempfänger) ein und dann schickt die Bank ihm direkt einen Scheck, ohne daß mich das einen Cent kostet. Bis das Prinzip vom “Recurring Payment” funktionierte, verging noch einmal fast ein Vierteljahr, aber dann war alles gut, bis auf den Umstand, daß es natürlich schwachsinnig ist, daß der Mann jeden Monat einen Scheck bekommt, den er dann auf seiner Bank “depositen” muß. Doch es geschehen noch Zeichen und Wunder, die Neuzeit ist selbst am hiesigen Bankenwesen nicht ganz spurlos vorbeigegangen, irgendwann konnte man Schecks am Bankautomaten einzahlen, inzwischen gibt es sogar “Mobile Deposit”, also Smartphonephotos vom – immer noch – Papierscheck machen und auf diese Weise seinem Konto gutschreiben zu lassen.

Ich will den Punkt noch einmal aufgreifen, der damit zu tun hat, daß die Bank meinem “Payee” den Scheck direkt zuschickt. Das tut sie mit der Post und dummerweise hat der gute Mann meinen letzten Mietscheck nicht erhalten. Nicht, daß es mich wundert, ich bin eher überrascht, daß das nun schon so lange so reibungslos funktioniert hat. Ich möge, bittet er, doch diesen “lost in the mail”-Scheck umgehend stornieren lassen, händisch einen Ersatzscheck ausstellen und ihm den neuen zuschicken. Ich muß schon sagen, der Mann hat wahres Postvertrauen. Damit das mit dem unpünktlich zahlen nicht wieder vorkommt, möge ich doch zukünftig bitte auf “Direct Deposit” umstellen. Echt? Eine Überweisung, so ganz direkt von Bankkonto zu Bankkonto will er?  Habe ich da was verpaßt? Geht das inzwischen?

Diese Frage kann nur mit einem klaren Jeeiiin beantwortet werden. Bei meiner Bank gibts jetzt sogenanntes “Popmoney”, bis zu sechs Mal im Monat kann der Bankkunde einem anderen Bankkunden, egal bei welcher Bank der andere sein Konto hat, direkt Geld aufs Konto schicken. Ideal, sagt die Bank, wenn man zum Beispiel vom gemeinsamen Mittagessen* noch Geld schuldig ist. Dafür muß man sich registrieren, wobei unter anderem drei “Security Questions” zu beantworten sind, die sich im Bereich: “Wie hieß dein erstes Haustier?”, “Welchen Vornamen trug deine Brautjungfer?”, “Wie hieß der Rektor deiner Grundschule?”, “Welche Marke war dein erstes eigenes Auto?” etc. bewegen und von denen ich nicht mehr weiß, welche und wie ich die bei Kontogründung vor sechs Jahren beantwortet habe. Zu meiner Überraschung gelingt es mir doch, mich erfolgreich durch diesen Fragenwust zu antworten, dann muß ich 24 Stunden warten und dann kann ich meinen ersten “Payment Request” eintippen.

Halt amal, Moment amal, ich kenne seine Bankverbindung nicht, ob er mir die wohl schicken kann? Postwendend kommt eine e-mail, mit einem gescannten Scheck als Anhang. Das habe ich immer noch nicht verstanden: in einem Land, wo jeder mit seinen Kreditkartendaten umeinanderschmeißt, wird die Bankkontonummer ähnlich ängstlich gehütet wie ein dunkles Familiengeheimnis, weil sich ja sonst jemand am Ersparten vergreifen könnte. Wurscht. Ich tippe dann mal Bankleitzahl und Kontonummer vom Scheck ab und initiiere eine Testüberweisung (hab dann für diesen Monat immer noch fünf davon gut), und wenn er das Geld tatsächlich in “3 to 4 business days” (Werktage) auf seinem Konto hat, dann mach ich mich an das Abenteuer mit dem “Recurring Payment”.

“Amerika, du hast es besser.” Echt jetzt? Woher der Geheime Rat sein Wissen bezieht, wird mir immer schleierhafter. Vielleicht muß man ihm zugute halten, daß das schon lange her und die Aussage natürlich aus dem Zusammenhang gerissen ist.

* In Restaurants gibt es eine Gesamtrechnung (“the check please”) pro Tisch und es bleibt den Gästen überlassen, wie sie das untereinander klären. Da kann das Bezahlen beim gemeinsamen Lunch mit einer Handvoll Kollegen schon mal genauso lange dauern wie das Einnehmen der Mahlzeit vorher. Viva Popmoney!
Oder einfach getrennt bezahlen. Was hierzlande als unmöglich gilt, weil die Steuer erst auf den Endbetrag aufgeschlagen wird und Prozentrechnen nicht jederkellners Sache ist.

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