Der Vorteil eines Lebens ohne eigene Kinder ist, daß einem der Alltagskladderadatsch wie “Neiiiiin, meine Suppe eß’ ich niiiicht!”, “Ich will ein Pony!”, “Sind wir schon da?” und “Mama, du bist so peiiiinlich!!” erspart bleibt. Der Nachteil eines Lebens ohne eigene Kinder ist, daß man von Eltern gerne für die Feiertagsaktionen eingespannt wird. Und so schleppen Carmen und Francisco mich am Samstagmorgen mit in die Schulturnhalle. Dort stellen die Kinder von “Camp Phantasy”* die Produkte ihrer einwöchigen Camp-Kreativität aus. Wie alle anderen Kinder sitzt auch Klein-Alejandro (9) hinter seinem Tischchen mit ungelenk Selbstgemachten und versucht sich an Teil 2 des Programms von Camp Phantasy, nämlich seine Produkte zu vermarkten. Möchte ich vielleicht ein selbstgetöpfertes Klumpschüsselchen? Oder eine auf Seide gemalte recht fettleibige Madonna? Oder hier, der Bleistiftständer aus wollumwickelten Papprollen? Ich entscheide mich schließlich für den T-Rex-Scherenschnitt mit handgezimmerten Plastikrahmen und akzeptiere den von ihm mit dickem Latinoherzensbrecherbraunaugenaufschlag vorgeschlagenen Preis ohne auch nur ein winziges bißchen zu feilschen – es ist schließlich für einen guten Zweck. Die Kinder sammeln dafür, daß auch obdachlose Kinder ein Summer Camp besuchen können. Bezahlt wird in cash bei der Lehrerin, was zum einen Versuchung von den kleinen Verkäufern fernhält und ihr zum anderen die Möglichkeit gibt, mich zu fragen, ob ich vielleicht “doublen” möchte. Dafür bekäme ich ein Raffle-Los. Was tut man nicht alles für gute Nachbarn. Selbstverständlich zahle ich das doppelte, liefere Quittung und Tombolalos bei Alex ab, lasse mir den T-Rex einpacken und mache mich schleunigst auf den Heimweg. Eigentlich sehr cool, am bisher heißtesten Tag des Jahres ein mit dicken Santas bedrucktes Päckchen durch die Nachbarschaft zu tragen. Mit Schleife. (“Gift wrap” kostete $1 extra und schafft endlich wieder Platz in Mutters Weihnachtsgeschenkpapierschublade.) Alles für jeden guten Zweck.
Carmen schaut mir ein bißchen neidvoll nach – sie muß bis zum Schluß bleiben und sich schon jetzt Gedanken machen, wo im Haus noch Ehrenplätze für nicht verkaufte Kunst frei sind.
* “Summer Camps” sind eine reine Notwehrmaßnahme von Eltern, die ihre Kinder in den Ferien tagsüber halbwegs sinnvoll beschäftigt und gut aufgehoben wissen wollen. Sie dauern im allgemeinen eine Woche und enden immer mit einer Abschlußveranstaltung am Freitagnachmittag oder Samstagmorgen, wo die Kinder vorführen, was sie gelernt haben. Bei durchschnittlich drei Monaten Sommerferien kommt da gut was zusammen, und man kann verstehen, wenn Eltern das nicht alleine durchstehen wollen. Natürlich gibt es auch die Camps, die wir aus Horrorfilmen kennen, wo Kinder für einen längeren Zeitraum in die Natur geschickt werden, um sich gegenseitig zu terrorisieren oder von einem Monster gefressen zu werden. Die sind allerdings für Eltern mit Durchschnittseinkommen schlicht zu teuer.