Kulturkritik

In der letzten Zeit habe ich so einiges weggelesen und -geguckt und wo doch jetzt der Sommer ansteht und der eine oder die andere noch Empfehlungen brauchen kann, hier im folgenden meine 1.3 Euro-Cents (http://bit.ly/8xPla9).

Gedruckt:

Timur Vermes “Er ist wieder da”: Der ehemalige Reichskanzler Adolf Hitler kommt im Sommer 2011 unversehrt aus dem Bunker und sieht die neue Zeit durch seine Führerbrille. Das ist, wie jede Geschichte eines aus der Zeit Gefallenen, erst einmal komisch, läuft sich dann aber tot, auch und gerade, weil der Gefreite a. D. im Laufe der Geschichte Fernsehkarriere als Hitler-Parodist macht. Vermes hat feste recherchiert (wahrscheinlich alle Guido-Knopp-Dokus gesehen) und wirft mit Chauffeurs- und Architektennamen nur so um sich – allerdings glaube ich, daß man einem jungen Menschen in 10 Jahren erklären müssen wird, wer denn die heutigen Politikknallchargen waren. Diese Idee wäre in einer zehnminütigen Kabarettnummer besser umgesetzt. Für 400 Seiten schlechtes Deutsch sind allerdings zu viele Bäume gestorben.
Muß nicht sein.

China Miéville “Railsea”: Angepriesen als der “Moby Dick des 21. Jahrhunderts” erweist sich das Werk als schlechte Eisenbahnergeschichte eines manierierten Autoren, der statt “und” immer ein Ampersand (“&”) setzt, was den Lesefluß ohne Sinn & Zweck laufend unterbricht & wurde von mir auf Seite 87 von 424 entnervt aufgegeben.
Sowas darf nicht sein.

Arne Dahl “Bußestunde”: Für die, die Arne Dahl nicht kennen: das ist der einzige Autor, dem ich zugetraut hätte, einen Anders Breivik und seinen Anschlag zu erfinden. Im allgemeinen wird seine zehnbändige Reihe um die A-Gruppe, deren letzter Band “Bußestunde” ist, mit der Kommissar-Beck-Reihe des Autorenduos Maj Sjöwall und Per Wahlöö aus den Achtzigern verglichen. Das ist nicht ganz falsch: es sind ebenfalls 10 Bücher, Schauplatz ist ebenfalls Schweden und es geht ebenfalls um eine Gruppe von Polizisten, die in Mordfällen ermitteln. Dahls Truppe kommt ein bißchen mehr rum in der Welt (Merke: Beim Thema Globalisierung sind die Bösen ganz vorne mit dabei) und jedes Mitglied kann sich viel mehr auf seine Intuition verlassen als die Kollegen vor 30 Jahren. Bußestunde ist ein solider Abschluß der Reihe.
Kann man lesen (Flugzeug, Strand etc.)

Ich bin ein Fan von “Graphic Novels” und immer auf der Suche nach dem nächsten großen Wurf. Es ist wie immer im Leben, man muß viele viele Frösche küssen…

Grant Morrison and Darick Robertson “Happy!”: Die übliche Geschichte um den hardboiled City Cop, bereichert um ein geflügeltes blaues Miniaturpferd. Der Cop hätte gereicht.
Muß nicht sein.

Joe Kubert “Yossel”: Eine im Stile eines Notizbuchs in Kohle gezeichnet eine “Was wäre wenn Geschichte”. Was wäre wenn den Eltern nicht mit dem neugeborenen Joe und seiner älteren Schwester die Auswanderung in die USA geglückt wäre und sie stattdessen in ihrem Shtetl in Polen geblieben wären? Kuberts Bilder vom Aufstand im Warschauer Ghetto sind ergreifend.
Lesenswert. (Keine Strandlektüre.)

Alan Moore und Kevin O’Neill “Nemo: Heart of Ice (League of Extraordinary Gentlemen)”: Keine Ahnung, was den Altmeister da geritten hat. So ein billiges Geschreibsel kann nur reiner Profitgier geschuldet sein.
Sowas darf nicht sein.

Tim Seeley, Mike Norton und Mark Englert “Revival, Vol. 1 You’re Among Friends”: Die Toten kommen wieder. Was wie der hundertste Abklatsch irgendeiner Drecks-Zombie-Story klingt, bekommt hier eine interessante Wendung. Ja, sie kommen wieder. Genauso, wie sie vorher waren und wollen ihren Platz im Leben einer Kleinstadt zurück. Und das, obwohl man um sie getrauert und geweint hat und das Leben nun weitergeht. Weitergehen sollte.
Ich freue mich auf den 2. Band

Brian K. Vaughan und Fiona Staples “Saga, Vol. 1”: Militär, Science Fiction, verfeindete Planeten und – natürlich – ein liebendes Paar, das sich über alle Grenzen hinwegsetzt und nun von allen gejagt wird. Sehr sehr hübsch. Vaughan schätze ich seit “Y: The Last Man” und Saga sieht so aus, als könnte das auch ein Erfolg werden.
Vol. 2 erscheint am 2. Juli, ist seit ewigen Zeiten vorbestellt und wird sehr ungeduldig erwartet.

 

Gedreht:

Steven Soderbergh: “Behind the Candelabra (2013)”: Bevor Herr Soderbergh sein lang angekündigtes Sabbatical antritt, hat er sich noch einmal einen Jux gemacht, und die Biographie von Liberace verfilmt. Für den Fernsehbezahlsender HBO. Liberace, ein schwuler Entertainer, der sich Zeit seines Lebens aus lauter Angst vor der Reaktion seiner Fans nicht traut, sich zu outen und kurz nach Rock Hudson an Aids stirbt. Womit besetzt man den? Elton John, vielleicht, der wäre Paradiesvogel genug. Von wegen. Soderbergh castet ausgerechnet Michael Douglas und der ist gut. Matt Damon als gebeutelter jungen Lover reicht nicht an ihn hin. Bei der Regiearbeit hätte ich gerne Mäuschen gespielt. Wie man aus Douglas einen stetig zerissenen Menschen, zwischen Protz und Heimeligkeit, den Entertainer für alle und den verhuschten Klappenbesucher herausholt, das ist große Kunst.
Anschauen!

“Defiance”: Das ist so eine von den Fernsehserien, die sie mir, wie “Firefly” oder “Dollhouse” nach einer, höchstens zwei Staffeln wieder absetzen werden und die dann in 10 Jahren Kult ist. Science Fiction mit tollen Aliens und Frontier Western Motiven. (Der Sheriff heißt in Defiance “Law Keeper”). Alles sehr fein.
Höret auf meine Worte: Jetzt anschauen, so lange es das noch gibt.

“Game of Thrones”: Bei uns war letzten Sonntag “Red Wedding”. Meine Fresse!
Kult.

 

Fortsetzung folgt.

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