Neulich, in der Pasinger Fabrik: Ausstellung “Generation Transmission, Pictured”

Der Titel ist für diese Ausstellung ein wenig zu mächtig, die Ausstellung selber nichts Besonderes und, den Räumlichkeiten geschuldet, nicht gut gehängt und auch nur mittelgut kuratiert. Das Thema ist nicht weniger als die große Frage: “Wie wir wurden was wir sind” – mit Werken der drei Münchner Künstlerinnen Nana Dix, Anja Frers und Uschi Siebauer zum Thema der transgenerationalen Weitergabe, der von Freud so genannten „Gefühlserbschaft“. Hier, im Deutschland nach dem 2. Weltkrieg also das Erbe der “Generation Schweigen” (den kriegsteilnehmenden Eltern und Großeltern) an die die dritte (indirekt) betroffene Kriegsgeneration, die “Generation Transmission”.

Wahrscheinlich hat mich die Ausstellung trotz ihrer vielen Schwächen deswegen so berührt, weil ich direkt gemeint und betroffen bin. Die Freundin mit der ich dort war und ich haben die Sprüche der Schwarzen Pädagogik “Stell dich nicht so an.”, “Bis du heiratest, ist es vorbei.”, “Sei keine Heulsuse” etc. alle noch von den vorangegangenen Generationen gehört, die ihrerseits in diesem soldatischen Geiste erzogen wurden. Pars pro toto für diese Erziehungsmethoden steht der damals gängige Erziehungsratgeber: “Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind” von Dr. Johanna Haarer – meine Oma hat dieses “Lass-die-Kinder-schreien-bis-sie-blau-sind”-Machwerk seinerzeit gemeinsam mit dem Mutterkreuz überreicht bekommen.

Wir haben im Nachgang noch eine ganze Weile lang Kriegsgeschichten ausgetauscht, die auf uns gekommen sind… und waren beide erleichtert, dass in unseren Familien keiner bei den ganz Bösen war.

Also ja, die transgenerationale Weitergabe gibt es. Ich bin gespannt, wieviele Generationen Nachgeborener es noch brauchen wird, bis der letzte Weltkrieg keine Rolle mehr spielt und wünsche mir sehr, dass nicht ein neuer nachfolgt.

War ja klar

Der Kirschbaum im Pfarrgarten drüben steht in voller Blüte. Natürlich muss es heute schneien. Ja mir gehst weida.

Trainingsphase

So. Heute richtig lang und ausführlich und sehr traumreich ausgeschlafen und den Lärm der Kirchenglocken von gegenüber allenfalls als Signal zum “Wenden und Weiterschlafen” interpretiert. Für den Rest des Tages ein paar Ideen, was ich tun könnte, aber keine Pflichten.

Wenn so das Rentnerinnendasein aussehen wird, muss ich nicht lange nachdenken. Nehm ich.

Gelesen: Yuval Noah Harari – „Sapiens A Graphic History – The Pillars of Civilization“

Ooops! Mir scheint, ich bin mitten in einen Harari-Hype geraten, man kann dem Mann und seinen Beiträgen zur Geschichte der Menschheit gerade scheint’s nirgends mehr entgehen. Das macht aber nix – erstens hat er wirklich Kluges zu sagen und zweitens habe ich schon Graphic Novels gelesen, bevor das für Erwachsene außerhalb der Nerd-Welt cool war. Und außerdem kurz nach Weihnachten mit der Lektüre begonnen, da war er – noch – nicht omnipräsent. Hah!

Und so empfehle ich auch diesen zweiten Band so recht von Herzen weiter. Ob diese seine Denkschule die absolute Wahrheit umfaßt? Weiß ich nicht. Ich habe aber große Freude dran, diese Gedanken weiterzudenken und das ist doch schon sehr viel.

Lesen! Lesen! Lesen!

Dolchstoßlegende* reloaded

Vorhin im Zeitungsladen will ich nur rasch für die dem Dreckswetter angemessene dicke Wochenendausgabe der Süddeutschen bezahlen, um anschließend im Schutz meines geheizten Heims bei einem langen Frühstück durch Weltgeschehen zu rascheln, allein, ich komme nicht durch den Pulk zorniger durcheinander brüllender Männer, die sich in einer Sache einig zu sein scheinen: “Ein Skandal!” sei das. Ach was, nicht weniger als “Verrat”! “Armes Deutschland!” und “… vor die Hunde!”, ist zu hören. Weil: “Die haben uns verraten!”

Wer “die” ist, wird, bis ich dann doch doch meinen abgezählten Obolus* entrichten darf und ja, “die Werbung gleich dalasse”, nicht klar. Der Grund für den Untergang des Abendlandes hingegen schon: “Unsere Jungs” tragen nicht länger Addidas, sondern Nike. Die Gegenmaßnahme ist ein heiliger Schwur: “Nie mehr! Nie mehr!” werden sich die beteiligten Herren “ein Länderspiel mit Schwulentrickots von Nicky anschauen!”

Hätte ich sagen sollen, dass ich das auch schon vorher nicht gemacht habe? Damals, als die Leibchen noch nicht von Rosa nach Lila changierten und sie noch von der Wirkwarenfabrik des ehemaligen NSDAP-Mitglieds Adolf Dassler bezogen wurden?

* Ja, okay, das ist übertrieben. Aber ich wollte auch mal Click Bait ausprobiert haben…

** Fünf Euro und zwanzig Cent für einen Wegwerfartikel wie eine Tageszeitung. Das ist schon erwachsen und gibt einem das Gefühl, man spende doch gleich für die Wiederaufforstung der für die Papierrollen zuvor abgeholzten Wälder.

Jeder ist ein Künstler

Er sei, trägt ein Mann im Autoradio vor, in Hamburg gewesen und habe dort im Hafen die Möhren fliegen sehen. Ich höre in der Darbietung nur den Auftrag: “Lass diese Szene von Dall-E malen.”

Kann ich was dafür, dass im Vergleich zu diesem Sänger Udo Lindenberg klingt wie jemand, der in Fortgeschrittener Logopädie promoviert hat? Hmmm?

Aus der Welt der Leuchtreklame

Wochenlang hat mich auf dem Heimweg dieses Werbeschild angeflackert (und vor die Herausforderung gestellt, ein Foto zu machen, bei dem es klar zu erkennen ist und nicht schon wieder gerade erdunkelt). Jetzt muss ich die Botschaft bloß noch verstehen.

“Bäh” sind wahrscheinlich die bösen “Zusätze”, von denen die Werbetreibenden hier sprechen. Aber welcher Teil vom Huhn ist “Bäm”?

Sachdienliche Hinweise bitte an den flockblog.

Im Baumarkt

Noch ein Tag Arbeit und dann habe ich zwei Wochen Osterferien und den festen Vorsatz, meine Bibliothek auf Vordermann zu bringen. Will heißen, mich von den “Les-ich-nie-wieder”-Büchern zu trennen und die anderen in eine ordentliche Ordnung zu bringen. Gleiches zu gleichem, nicht, dass ich weiter nach den Werken einer Autorin oder eines Autors in ihrer Versprengung in mehreren Regalen suchen muss. Außerdem die Themen wieder näher beieinander. Science Fiction nicht länger mit Sachbuch, nicht mit Kinderbüchern mischen – sowas halt.

Dazu fehlte mir seit der Beschaffung der neuen großen geräumigen Regale irgendwann weit vor Weihnachten ein Regalboden, der offensichtlich seine Bestimmung woanders gesucht und gefunden hatte. Ich weiß, da geht man in den Baumarkt, sucht die nächstpassende Größe und läßt vom freundlichen Zuschneider sein Brett passend zuschneiden. “Man” macht das vielleicht. Keine große Geschichte. Ich hingegen stelle mich an. Heute passt es wegen dem nicht, morgen wegen was anderem und übermorgen ist es nicht recht – Hauptsache, ich muss keinen Baumarkt betreten. Die riechen komisch und da sind eigenartige Leute unterwegs und überhaupt ist es immer schon halb dunkel und die Parkplätze irgendwie äh-eklig, nein, Baumärkte und ich sind nicht füreinander geschaffen. Weil unter den Restbeständen im Keller nicht ein Brett lang genug war und auch durch gutes Zureden nicht wachsen wollte (was sind schon 1,8 cm?) und die anderen zu lang und außerdem farblich vollkommen daneben und nicht ein Mal, nicht ein einziges Mal ein passendes einfach meinen Weg kreuzte oder nach Feierabend vor meiner Haustür lehnte, kam ich nach langem Zaudern zu der Erkenntnis, dass mir die Regalbodengötter einfach nicht gnädig gesonnen sind.

Heute war ich bei Obi.

(Diesen Satz muss ich alleine stehen lassen, so stolz bin ich auf mich.)

“Ganz dahinten beim Holz” sei, was ich suche und der Zuschneider werde willig herbeieilen, wenn ich nach ihm läute. War alles richtig, hat insgesamt keine zehn Minuten gedauert und gar nicht weh getan. Und weil die Dame an der Kasse (ich sag’s ja, komische Leute sind in diesen übelriechenen Etablissements zu finden), also, weil die Dame an der Kasse nicht fähig war, eins und eins zusammenzuzählen, mußte ich zwar für das Zuschneiden, nicht aber für das Brett in Sonoma-Eiche-Furnier bezahlen. Für 99 Cents kann ich zu Ostern Disziplin schaffen.

Vielleicht verstecke ich mir sogar ein Ei.

Danke, oh oranger Obi-Bieber.

Noch in der Mediathek – Tatort Münster “Unter Gärtnern”

Achtung: Spoiler!

Die Hauptfigur ist eine “Sabine”. Natürlich aus einem Boomer-Jahrgang. Das Motiv findet sich im Münster der Achtziger Jahre (reicht aber bis zum Westfälischen Frieden zurück). Das war die Zeit, als die Frau Staatsanwältin Klemm noch mit dem “Roten Bullen” Horst* (nix Kuba, sondern tot und hinter der Laube vergraben) in besetzten Wohnungen herumturtelte und der Eiserne Vorhang schon schwer löchrig war.

Sabine, ein ausgesprochen vitale ältere Dame wird tot in ihrem Kleingarten aufgefunden. Mit ihr zwei Eichhörnchen. “Verschieden?” – “Nein, für mich sehen die gleich aus.” “Verblichen?” – “Nö, die haben eigentlich eine gute Farbe.” “Entschlafen?” – “Auf mich wirken die eher tot.” Münsteraner Dialoge vom Feinsten. Man muss das mögen. Ich mag das. Und habe mich weggeschmissen, als auf der einen Trage die tote Sabine (zugedeckt), auf der anderen die beiden Eichhörnchen (jeweils sorgsam festgeschnallt) in die Pathologie abtransportiert werden. Dort leben Ursprung und Liefers bei der Ermittlung der Todesursache (“Haben wir nicht irgendwo noch ein Hirn rumliegen?”) ihre eigenartige Beziehung aus, was die “Miese-Sprüche-Kasse” der Assistentin bis zum Anschlag füllt.

Nebenher ermittelt Prahl in Schafferklamotten, wie meine Hunsrücker Kollegen die praktischen Arbeiterlatzhosen nennen, im Außendienst in der Kleingartenanlage, die sich, wie jede ordentliche Kleingartenanlage, als Abgrund aus Zwisten und Lüsten erweist. Neben dem kriselnden Ehepaar (“Scha-atz, die Polizei will dich zu deiner Affäre mit Sabine befragen”) lebt dort auch der Freikörperkulturfanatiker (wenn splitternackte Männer Würstchen grillen hat das immer so einen Gruseleffekt), das gemischtrassige Öko-Ehepaar mit dem veganen Biodiktat (und totsicher einem Lastenrad, auch wenn man es nicht sieht) sowie geiernd auf das Grundstück der Alten, die alte Dame selbst mit ihrem allerliebsten Giftpflanzengärtchen – wie’s halt so ist in der Idylle.

Natürlich werden sämtliche Morde aufgeklärt. Der an der Auftragskillerin Sabine (es war nicht der Gärtner) und alle ihre. Toll. Aber dann kommt noch ein letzter Twist, bei dem die Slow Horses Pate gestanden haben dürften. Sehr spaßig. Schräger Humor vorausgesetzt.

Dazu ein Soundtrack, der schöner nicht sein könnte. (Hey, ich bin ein Kind dieser Zeit, ich darf das schön finden.) Pink Floyd (mehrfach), David Hasselhoff, Steve Miller Band, Depeche Mode, Billy Joel und ganz besonders schön dieser Tango von Rebekka Backen:

Anschauen! Spaß haben. Nicht mehr erwarten als das.

* Wenn das keine Verneigung vor Schimanski ist, dann weiß ich aber auch nicht.